Wahlen in den USA: Was können die deutschen Juden aus den Erfahrungen in den USA lernen?
von Judith Bernstein
Wie bei früheren Wahlen hat auch diesmal die Mehrheit der amerikanischen Juden die Demokratische Partei gewählt, nämlich zu 71 Prozent. Allerdings gab es auch jüdische Voten für die Republikaner, die meinten, dass ein Donald Trump derjenige Präsident sein werde, der die israelische Politik unterstützen werde. Mit ihrer Wahl haben sie sich Stephen Bannon, einen Antisemiten, eingehandelt.
Mit der Entscheidung ist die Spaltung der jüdischen Gemeinschaft endgültig vollzogen worden. Noch nie waren die Ängste so groß wie jetzt. Jetzt werden die Juden feststellen, dass sie durch Trumps angebliche Loyalität gegenüber Israel betrogen sind, wie es ein Gegner der Einladung Bannons zur Tagung der „Zionist Organization of America“ formuliert hat: „Wir können nicht die Sicherheit der Juden in den USA für Israel opfern." Sogar Jonathan Greenblatt, Vorsitzender der „Anti-Defamation League“, die früher jeden antisemitischen Vorfall öffentlich machte, meint jetzt: „Als Juden wissen wir, was Antisemitismus bedeutet. Deshalb müssen wir uns auf die Seite derer stellen, die diskriminiert werden.“
Machen wir uns nichts vor: Die Regierung Israels betrachtet Rechtspopulisten als Freunde: Marine Le Pen, Geert Wilders und Norbert Hofer, der am 04. Dezember als Kandidat der „Freiheitlichen Partei Österreichs“ neuer Bundespräsident werden will – nachdem Heinz-Christian Strache als Parteichef Benjamin Netanyahu die Aufwartung gemacht hat. In Jerusalem wird die Auffassung vertreten, dass solche Politiker, die Hass gegen Moslems schüren, Israel unterstützen. Ich warne davor, auch in Deutschland die Fehler amerikanischer Juden zu wiederholen. Es ist an der Zeit, an die eigenen Interessen und nicht an die der israelischen Regierung zu denken.
Zwar setzen sich hierzulande auch Juden für Flüchtlinge aus den Nahen und Mittleren Osten ein, doch endet die Unterstützung bei den Palästinensern. Jahrzehnte ist jede Kritik an der israelischen Politik als Antisemitismus abgetan worden, während die wahren Antisemiten ungeschoren blieben. Zugespitzt könnte man sogar sagen, dass diejenigen, die die selbstzerstörerische Politik Israels unterstützten, die echten Antisemiten sind. Sie sorgen dafür, dass Israel eines Tages in der Gefahr steht, nicht von außen zerstört zu werden, sondern sich von innen auflöst, während die Kritiker der israelischen Politik - auch die Befürworter der BDS-Kampagne - diejenigen sind, die mit ihrem Versuch, Israel auf den richtigen Weg zu bringen, gegen die Delegitimierung Israels kämpfen.
Ein palästinensischer Freund hat einmal gesagt: Wenn jemand den Konflikt überhaupt beenden könne, dann die jüdischen Stimmen der Diaspora. Tatsächlich sind sie die einzigen, die entscheidenden Einfluss auf die israelische Politik nehmen können. Wer dagegen die Politik der Verletzung von Menschenrechten unterstützt, darf sich nicht wundern, wenn die Missachtung eines Tages auf ihn zurückschlägt.
Ich frage, ob die Diskussion um den Antisemitismus in Deutschland mehr ist als ein Ablenkungsmanöver vom eigentlichen Thema ist: Was ist faul im Staate Israel?