Rede von Dr.Ruhama Marton, Gründerin und Präsidentin von Physicians for Human Rights Israel (PHRI) auf dem Kongress „Nicht in einer Demokratie: 50 Jahre Besatzung“
‚Alles was legal war, war unmoralisch, alles was moralisch war, war illegal.‘, schrieb Hannah Ahrendt zu einer anderen Zeit.
Ich finde, diese Worte beschreiben in dieser Zeit sehr gut die israelischen Institutionen und die Besatzung. Das heißt, in dieser Situation müssen wir uns entscheiden zwischen Gesetz und Moral. Ärzte für Menschenrechte hat die Moral gewählt. Die Organisation hat den Begriff Menschenrechte in den öffentlichen Diskurs in Israel eingebracht, als sie vor dreißig Jahren gegründet wurde. Die Moral zu wählen in Israel bedeutet, damals im Jahr 1988 wie heute, eine Vereinigung des Widerstands zu sein. Eine Organisation, die nicht Teil des Mainstreams sein will, oder wie ich es lieber nenne, der radikalen Mitte. Es ist keine leichte Wahl und sie kostet einen hohen Preis. Die radikale Mitte betrachtetMenschenrechtsorganisationen als Verräter, als solche, die das Stammesgesetz, soziale Konventionen brechen.
Der Kampf von PHRI gegen Folter in den 90er Jahren, schloss das gesamte System mit ein: Jurisdiktion, die diversen Sicherheitsbehörden und auch die israelische Ärztegewerkschaft. Deren damaliger Vorsitzender sagte über mich: Diese Frau an der Spitze von Ärzte für Menschenrechte Israel ist anti-israelisch, anti-zionistisch und antisemitisch. Diese Aussage weckte unter Tausenden von Mitgliedern der Gewerkschaft keinen Widerspruch. Denn es gibt hier in Israel tatsächlich eine klare Grenze zwischen Stammesgesetz und Moral.
Die Ärztinnen und Ärzte von PHRI fahren jeden Samstag in die Dörfer in der besetzten Westbank, in die Flüchtlingslager und Städte, und bieten dort mit unserer mobilen Klinik medizinische Versorgung an. Wir bitten die Armee nicht um Erlaubnis. Wir wollen diese Genehmigung nicht, die mit Begleitung Bewaffneter in Uniform einhergeht.
Die Arbeit unserer Ärzte ist vor allem eine deutliche Aussage gegen das Mantra der Regierung, es gäbe keinen Partner. Wir haben Partner. Unsere Fahrt in die Besetzten Gebiete an sich ist eine Erklärung der Solidarität mit den Besetzten und gegen die Besatzung. Erst nach dieser Aussage beginnt unsere medizinische Arbeit in den Besetzten Gebieten.
Im Kampf der PHRI zum Schutz der palästinensischen Gefangenen im Hungerstreik stellen wir uns an die Seite politischer Häftlinge, die Sicherheits-Häftlinge genannt werden. Unser Moralverständnis verpflichtet uns, gegen das Übel zu anzukämpfen, das ein Mensch dem anderen antut, nicht weniger als im Kampf gegen Krankheitskeime und Viren. Administrative Haft ist das Übel, gegen das wir an der Seite der Häftlinge und für sie kämpfen. Administrative Haft ist der Grund ihrer Hungerstreiks.
Fünfzig Jahre lang haben wir israelischen Juden unser Leben als lebenswert und verteidigungswürdig definiert; dem gegenüber gibt es Leben, die schutzlos allein gelassen werden.
Über die Besatzung wird viel gesprochen.
Sie wird sehr unterschiedlich definiert. Aber als Ärztin weiß ich, wie der Arzt in „Die Pest“ von Camus, dass es nicht wichtig ist, wie die Krankheit heißt. Menschen sterben an ihr, und meine Aufgabe ist es, sie zu retten. Ich weiß auch, dass Rassismus gerade dort gedeiht, wo man ihn verleugnet; deshalb ist es wichtig, genau zu sein und die Dinge beim Namen zu nennen.
Ich stehe hier, um zu sagen, dass Besatzung und Apartheid fallen müssen, denn egal, wie sehr sie vertuscht werden mit Definitionen und üblen Verträgen, - der Mensch strebt zur Freiheit. Und wir sind hier, um das fortwährende Streben nach Anerkennung kenntlich zu machen, denn es gibt kein Leben, das aufzugeben und schutzlos im Stichzu lassen wir das Recht hätten. Deshalb wollen wir mit den Gesetzen von Besatzung und Apartheid nicht kollaborieren. Wir arbeiten aus moralischen Gründen, auch wenn sie mit dem Gesetz nicht überein stimmen.
(ins Deutsche übertragen von Weichenhan-Mer G.)