Brief von Heinz Schulze an das Kulturreferat der Stadt München

Sehr geehrter Herr Dr. Küppers,

Welch unsäglicher Verwaltungsakt vom 12.3.19 zur Untersagung des Doku-Films Broken am 17.3.19 im Eine Welt Haus.

Ich hatte schon einen Brief in Arbeit, um mich zu beschweren, dass ich den Film BROKEN nicht sehen darf. In der Zwischenzeit konnte, durch die Intervention des Gerichts, der Film gezeigt werden. Welch eine schlampige Begründung des Hausjuristen der LHM. Wenn ich so etwas damals in meiner Lehrzeit als Rechtsanwalts- und Notar-Gehilfe geliefert hätte, hätte das  einen riesigen Anschiss vom Chef gegeben. Es darf doch nicht sein, dass ein Verwaltungsakt dieser Reichweite (Angriff auf die Meinungsfreiheit) mit solch unpräzisen Angaben rausgeht. Ich zitiere: … „Bei einer Gesamtschau der Veranstaltung (Filminhalt und -darstellung, Veranstalter, Diskussion, Teilnehmer…) ist davon auszugehen, dass bei lebensnaher Betrachtung die Diskussionsveranstaltung nicht ohne eine Befassung mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne auskommt ... verbunden mit der Forderung … Abriss der Mauer...“ Ja, kann denn der unterzeichnende Vertreter des Kulturreferats (Unterschrift unleserlich) in die Köpfe der Zuschauer schauen? Was soll der Begriff „lebensnahe Betrachtung“?

Das Schlimme ist, dass das Kulturreferat sich mit dieser Ablehnung gegen das internationale Völkerrecht stellt. Zur Erinnerung: Der Mauerbau auf besetztem Territorium Palästinas ist gegen das Völkerrecht. Und mit solchen Begründungen setzt sich die LHM (Stadtrat und Kulturreferat) gegen das Urteil des Internationalen Gerichtshofs (Den Haag) hinweg, das den Staat Israel aufforderte, die Mauer abzubauen: Der Mauerbau ist Bruch des Internationalen Völkerrechts. Insgesamt erinnert mich dieser Stadtratsbeschluss und die sich daraus ergebenden Verbote an die Zeiten sog. Berufsverbote (Radikalenerlass) und der „unamerikanischen Umtriebe“ in den USA. Wer sich z.B. beim Thema Mauerbau auf das Völkerrecht beruft ist Antisemit?

Wenn Amnesty International (Anklagen Frühjahr 2019: Zur Lage der Menschenrechte in Palästina und Israel) die Menschenrechtsverletzungen seitens Palästina kritisiert, ist das verdienstvoll? Wenn im gleichen Artikel auf die der israelischen Seite hingewiesen wird, ist das antisemitisch? Wenn die Organisation Transparency International die Korruption in Israel beklagt, ist das…? Wenn man besorgt ist, dass bei den nächsten Wahlen in Israel eine Nazipartei ins Parlament einzieht, ist das…?

Eine Kopie dieses Briefes geht an Stadtrat Dominik Krause (Fraktion Die Grünen im Rathaus), weil er bei einer Veranstaltung der Grünen betonte, dass ein Großteil der Stadtratsbeschlussvorlage von 2017 von ihm stammt.

Man sollte von einem Stadtrat schon verlangen, dass er sich mit dem Völkerrecht beschäftigt und nicht aus Unkenntnis oder in Kenntnis der Fakten eine unseriöse Politik macht. Wenn Sie, Herr Krause, gestern sich den Film angesehen hätten, hätten Sie wichtige Informationen bekommen und gemerkt, wie seriös Fragen und Antworten waren. Und Sie hätten mitbekommen, dass sich in einem Akt bürgerschaftlichen Engagements – natürlich nach dem Ende der Veranstaltung  – alle Anwesenden (2 Enthaltungen bei mehr als 100 Gästen) den Stadtrat aufforderten, den Stadtratsbeschluss von 2017 zurück zu nehmen.

Zum Schluss noch die bittere Bemerkung:

Wie viel Zeit und Arbeit ist damit verbracht worden, um einen faktenorientierten Film in München zu verbieten: Im Kulturreferat, im Eine Welt Haus, bei den Veranstaltern, beim Rechtsanwalt, bei Münchener Richtern, bei Bürgerinnen und Bürgern. So darf die Stadt mit ihren Menschen nicht umgehen.

Mit freundlichen Grüßen

Heinz Schulze

München, 17.3.19