Plädoyer für eine neue Debatten-und Politikkultur

Reiner Bernstein

Nach den juristischen Erfolgen in Oldenburg, in Lüneburg und in Bonn hat das Landgericht München am 23. September dem Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen den Caritasverband der Erzdiözese München und Freising stattgegeben. Vorausgegangen war die fristlose Kündigung des Raumnutzungsvertrags für die Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe (JPDG).

Der Caritasverband begründete seinen Rückzug mit der Anti-BDS-Erklärung des Bundestages vom 17. Mai, welche die Unterstützer der weltweit getragenen Initiative gegen die israelische Besatzung von 1967, für die Gleichstellung der arabischen Staatsbürger Israels sowie für das Recht der palästinensischen Flüchtlinge von 1948 in die Nähe des Antisemitismus rückte. Das Landgericht betonte ausdrücklich, dass die BDS-Kampagne durch Artikel 5 des Grundgesetzes gedeckt ist.

Anlass für die einstweilige Verfügung bildete das „Erstaunen und (die) Verärgerung“ der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern Charlotte Knobloch, den „Spiegel“-Redakteur Christoph Sydow über die Recherchen der Wochenzeitung zur israelischen Lobbyarbeit in Berlin berichten zu lassen. Da der Referent aufgrund der Kürze der Zeit seine Teilnahme absagen musste, aber der neuen Einladung schnell folgen will, konzentrierten sich die Diskussionen auf die zwei Fragen: Wie lange müssen Gerichte bemüht werden, um das Recht auf freie Meinungsäußerung im öffentlichen Raum zu gewährleisten, und wann werden unsere Politiker begreifen, dass die Behauptung, die Rechte der Palästinenser würden den Tatbestand des Antisemitismus erfüllen, von Grund auf absurd ist?

Während in Israel eine offene Debatte über die Politik der Regierung stattfinde, werde sie in Deutschland mit Diffamierungen belegt, betonten die promovierte Publizistin Ilana Hammerman und die in Düsseldorf lehrende Professorin Efrat Gal-Ed. Der deutsche Diskurs habe mit Israel nichts zu tun. Jüdische Israelis seien stolz auf ihre freie Presse, in der Bundesrepublik mache sich hingegen ein Klima breit, das vor dem Vorwurf des Antisemitismus zurückschrecke. Doch erfülle das Verbot für Israelis und Palästinensern aus der Friedensszene den Tatbestand des Antisemitismus, über das Für und Wider der Beziehungen zwischen beiden Völkern zu berichten?

Die über siebzig Teilnehmenden der Veranstaltung forderten die Bundesregierung und den Bundestag auf, endlich der eigenen Glaubwürdigkeit Rechnung zu tragen, indem sie einen politischen Kurswechsel gegenüber dem israelisch-palästinensischen Konflikt vornehmen. Den Medien wurde empfohlen, dem Leitsatz jener Ausgewogenheit zu folgen, den sie selbst hochzuhalten beanspruchen.

An der Sprache sollt ihr sie erkennen. Ist „political correctness“ angebracht, wenn auf Berichte und Kommentare über Siedler verzichtet wird, die tote Katzen in Brunnen werfen, um das Wasser zu verunreinigen, wenn sie palästinensische Bauern mit Knüppeln und entsicherter Pistole von ihren Feldern vertreiben oder wenn sie unter dem Vorwand der Notwehr ein Kind erschießen? Ja, schon die Sprache macht die Musik.