Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe

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Rede von Abood Khalifeh auf der Kundgebung " All Eyes on Rafah" - Landshut, 11. Mai 2024

Antisemitismus-Bezichtigung als Vorwand für Zensur?

Während sich meine Vorredner auf die Katastrophe in Gaza fokussierten, was auch das dringende und brennende Thema ist, denn jeden Tag werden Kinder auf grausame Weise getötet, oder verkrüppelt, widme ich meine Rede der Einschränkung unserer Grundrechte, und der versuchten Zensur, welche offensichtlich unter dem Vorwand „Antisemitismusbekämpfung“ stattfindet.

Für mich finden aktuell zwei Katastrophen statt, die eine ist das Abschlachten Tausender in Gaza, die Zweite ist die massive Einschränkung unserer Grundrechte durch Repressionen und direkte sowie indirekte Zensur – und das in demselben Jahr, in welchem wir 75 Jahre Grundgesetz feiern.

Hinzu kommt die Diskreditierung der Institutionen, welche nach dem II. Weltkrieg geschaffen wurden, wie z.B des IGHs, um eben ein „Nie wieder“
sicherzustellen. Palästinenser verlieren ihr Leben auf grausamste Weise und unsere demokratischen Grundrechte sind auf der Verliererseite und nehmen nachhaltigen Schaden, wenn das so weitergeht.

Eigentlich ist eine erneute Rede zum Thema Antisemitismus auf unseren Kundgebungen überflüssig … „überflüssig wie ein Kropf“, wie man hier in Bayern sagt.

Ich frage mich, warum müssen sich in einem demokratischen Land aktuell die Opfer und nicht die Täter erklären? Zumindest scheint dies zu gelten, wenn es um Israel geht. Obwohl auf unseren Kundgebungen keinerlei Antisemitismus herrscht, viele Jüd:innen mit uns gegen Israels Kriegsverbrechen demonstrieren, unsere Kritik eindeutig der israelischen Regierung und deren Kompliz:innen und Mittäter:innen gilt, werden wir immer wieder aufs Neue in Medien und seitens Politiker:innen als „Versammlung von Judenhasser:innen“ dargestellt. Dies nicht nur von Hetzern des Axel Springer Verlags, sondern auch von Redakteur:innen renommierter Blätter wie der SZ. Das Kalkül scheint klar zu sein: Kritiker:innen zu dämonisieren - um einerseits von den Kriegsverbrechen Israels abzulenken und andererseits, um einen Vorwand zu haben, Kundgebungen, Kongresse oder Uni-Camps zu unterbinden, und somit unser Grundrecht auf Meinungsfreiheit einzuschränken. In anderen Worten, Antisemitismus wird missbraucht für eine Agenda! Statt die unzähligen Gräueltaten der israelischen Armee in Gaza und in der völkerrechtswidrig besetzten Westbank zu thematisieren (welche nicht erst seit dem 7.10.2023 stattfinden), suchen Journalisten mit der Lupe z.B. nach „Slogans“ die sie dann frei interpretieren und daraus Vernichtungsaufrufe phantasieren.

In Zeiten, in welchen ein Genozid vor laufenden Kameras stattfindet, frage ich Sie – liebe Politiker:innen und Medien: Worin steckt eine Gefahr, in Slogans in die sie Vernichtungsaufrufe hineinphantasieren, oder in verbrecherischen Taten und Massenermordungen? Hetze gegen Demonstrant:innen und Billigung von Kriegsverbrechen - meine Lieben - sind Straftaten! Ich hoffe, dass die Staatsanwaltschaft diese Diffamierer und Hetzer nicht weiterhin duldet. Ich finde es übrigens bedauerlich, dass in der BRD - anders als in den restlichen EU-Staaten - die Staatsanwaltschaft einem Ministerium und somit der Regierung unterstellt ist. Ich gebe jedoch die Hoffnung nicht auf, dass die Staatsanwaltschaft auch gegen
anti-palästinensischen Rassismus und gegen Hetzer:innen vorgeht und die verfassungswidrigen Einschränkungen der Meinungsfreiheit ebenfalls
bekämpft. Ansonsten werden wir selbst Klagen einreichen müssen, um diese Straftaten zu stoppen.

Also meine lieben Journalist:innen und Politiker:innen,
ich wiederhole es nochmal schön langsam und zum Mitschreiben.: Für uns ist Antisemitismus ebenso abscheulich wie jede andere Form des Rassismus. Antisemitismus schadet auch den Paläsenensern - er dient dem zionistischen Siedlerkolonialismus, um seine Kriegsverbrechen und die ethnische Säuberung Palästinas zu rechtfertigen. Wir sind hier nicht um zu hassen, sondern allein und ausschließlich um ein Ende des Mordens an Zivilisten, Frauen und Kindern zu fordern, und ebenso um ein Ende der militärischen Unterstützung eines Staates zu fordern, welcher aktuell offensichtlich seine am 10.3.1948 beschlossene ethnische Säuberung Palästinas mit brutalsten Mitteln vorantreibt - dies wie immer unter dem Vorwand der Selbstverteidigung und Darstellung der Paläsenenser als Terroristen und Barbaren – und wir sind hier auch, um ein Ende der Diffamierung als Antisemiten, die lediglich der Einschränkung der Meinungsfreiheit dient, zu fordern. Anti-Völkermord, Anti-Israelischer-Faschismus sind kein Antisemitismus. Wer das vermischt, verwässert bewusst den Kampf gegen den wahren Antisemitismus.

Ich erinnere daran, dass Antisemitismus eine europäische Erfindung ist, während europäische Jüd:innen stets Zuflucht im arabischen Raum fanden. Das friedliche Zusammenleben arabischer Juden, Christen und Muslime wurde erst durch den kolonialen Zionismus zerstört. Laut Professor Avi Shlaim (ein jüdischer, britisch-israelischer Historiker, der aus dem Irak stammt), übte der Mossad in den 50er Jahren Bombenattentate auf Juden aus – und tötete Juden, um irakische Jüd:innen zur Flucht nach Israel zu bewegen.

In einem offenen Brief mit dem Titel „Die Freiheit der Andersdenkenden“ welchen mehr als 100 in Deutschland beheimatete jüdische Künstler:innen, Schriftsteller:innen und Wissenschaftler:innen unterzeichnet haben, wird erwähnt, dass nach Angaben der Bundespolizei „die überwiegende Mehrheit der antisemitischen Straftaten - etwa 84 % - von deutschen extremen Rechten begangen [wird]“.
Statt darüber zu berichten, und den wahren Antisemitismus zu bekämpfen, verbringen diese Verleumder:innen, zu denen auch die RIAS zählt, ihre Zeit damit, auf unseren Demos antisemitische Äußerungen Einzelner zu suchen; statt den wahren Antisemitismus zu durchleuchten. Da sie nicht fündig werden, behaupten sie in ihren Berichten falsche Tatsachen. Belege für ihre Behauptungen bleiben sie ihren Leser:innen schuldig.

Auf meine faktenbasierte Briefe zu diesem Thema an die SZ bekam ich leider - jedoch wie erwartet- keine Antworten. Statt auf meine E-Mails oder Kommentare auf X zu antworten, blockierte mich deren „Journalist“ auf Twitter.
Liebe SZ, ist das nicht ein erbärmliches Armutszeugnis? Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass es auch Reporter bei der SZ gibt, die es hinbekommen, ausgeglichen zu berichten – wenn auch sehr vorsichtig.
„Wes’ Brot ich ess’, des’ Lied ich sing’“, scheint die Divise zu sein. Diesen Satz soll kürzlich ein/e BR Reporter:in geäußert haben. Deren bzw. dessen Namen ich zum Schutz nicht nennen werde. Sonst ist er bzw. sie seinen/ihren Job womöglich los.

Der Münchner Stadtrat begnügt sich nicht mit Diffamierungen. Er versucht, das Grundrecht auf Meinungsbildung durch Verbote von Veranstaltungen einzuschränken. Roger Waters’ Konzerte sollten verboten werden, ebenso wie der Auftritt des israelischen Historikers Ilan Pappe, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Da wir in einem Rechtsstaat leben, verlor die Stadt mehrere Prozesse und verschleuderte lediglich mit diesen Zensurversuchen Steuergelder.

Dem Verein Salam Shalom oder der Jüdisch-Paläsenensischen Dialoggruppe werden systematisch Steine in den Weg gelegt. Raumanmietungen sollen verhindert werden.

Lieber Stadtrat München,
es tut mir leid, aber ein solches Verhalten erinnert an die Zeit als Bücher am Königsplatz verbrannt wurden. „Hauptstadt der Bewegung“ war ein dunkles Kapitel, das sich keiner zurückwünscht.
Ich wiederhole, Sie können sich nicht mit dem Blut der Kinder von Gaza von den Verbrechen der NS-Zeit an Jüd:innen freiwaschen. Mit neuem Unrecht machen Sie altes nicht ungeschehen! Wer schweigt, macht sich mitschuldig. Wer hetzt, verleumdet und Kriegsverbrechen billigt. ist Mittäter.

Liebe Medien und Politiker:innen,
Unterstützen Sie nicht erneut einen Völkermord!!! Stoppen Sie die Massaker und den Angriff auf Rafah - SOFORT!!! Die freie Welt wird Sie anklagen.
Treten Sie nicht 79 Jahre intensive Vergangenheitsbewältigung und Erinnerungskultur durch erneute Repressionen, Diffamierung mit der Absicht der Zensur und mit erneuter Hetze in die Tonne!

Und liebe Journalisten und liebe RIAS Mitarbeiter:innen,
Ihr könnt beruhigt nach Hause gehen! Hier werdet ihr keinen Antisemitismus finden. Zum Verleumden braucht ihr nicht zu kommen - das könnt ihr bequem von zu Hause auf dem Sofa texten (was die Reporter auch offensichtlich tun).
Sucht woanders, im rechten deutschen Lager zum Beispiel. Oder investiert Eure Zeit z.B. um aufzuklären, was tatsächlich am 7.10.’23 geschah und was erfundene Lügen der Organisation “Zaka” waren, welche ihr voreilig, ohne Überprüfung Euren Lesern aufgetischt habt - Beispiel: „geköpfte Babies“. Das schuldet Ihr Euren Lesern und den Kindern, die in diesem Krieg, auch mit deutschen Waffen, und befeuert durch Eure Berichterstamung ermordet wurden und aktuell noch werden.

Einen Mitschnitt der Rede können Sie auf Youtube ansehen:
(157) Antisemitismus-Bezichtigung als Vorwand zur Einschränkung der Meinungsfreiheit - YouTube
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