Israel lässt sich von US-Anwaltskanzlei im Kampf gegen BDS-Aktivisten in Europa und Nordamerika helfen

Chaim Levinson und Barak Ravid (Ha’aretz“ 25.10.2017)

Die Regierung lässt sich nach Dokumenten, die Ha'aretz zugänglich sind, heimlich von einer US-amerikanischen Anwaltskanzlei im Kampf gegen BDS (Boykott, Investitionsentzug und Sanktionen) in Europa, Nordamerika und andernorts helfen.

Die Regierung hat die Kanzlei Sidley Austin beauftragt, rechtliche Möglichkeiten vorzubereiten und Gerichtsverfahren abzuwickeln. Das Justizministerium und das Ministerium für Strategische Angelegenheiten haben es abgelehnt, die Natur dieser Aktivitäten offenzulegen, für die der Staat im Lauf der letzten zwei Jahre viele hunderttausend Dollar gezahlt hat. Die Ministerien bezeichnen die Aktivitäten als „diplomatisch extrem sensibel".

Vor etwa zwei Jahren verpflichtete das Sicherheitskabinett das Ministerium für Strategische Angelegenheiten zur Koordinierung des Kampfes gegen „Delegitimierung" und bestimmte größere Mittel für diese Bemühungen. Das Ministerium für Strategische Angelegenheiten überweist einen Teil des Geldes über das Außenministerium an verschiedenen Orten weltweit und einen anderen Teil an jüdische Organisationen im Ausland für Öffentlichkeitsarbeit an Campussen und anderen Orten.

Aber auch das Ministerium für Strategische Angelegenheiten operiert in dieser Sache auf eine Art, die es nicht öffentlich bekannt gemacht hat. In der Vergangenheit hat der Generaldirektor des Ministeriums Sima Vaknin der Knesset mitgeteilt, dass es damit befasst sei „geheimdienstliche Informationen zusammenzutragen und anzugreifen" (gathering intelligence and attacking).

Im Laufe des letzten Jahres hat Anwalt Itay Mack Regierungsministerien gebeten, im Namen von Menschenrechtsaktivisten Informationen über alle mit ausländischen Organisationen unterzeichneten Vereinbarungen einzuziehen, die an Anti-BDS-Aktivitäten beteiligt sind. Das Außenministerium sagte, es hätte keine solchen vertraglichen Verpflichtungen, aber das Justizministerium stellte zensierte Dokumente zur Verfügung.

Die Dokumente zeigen, dass die Abteilung für Sonderaufgaben im Büro des Staatsanwalts, die – in Zusammenarbeit mit dem Minsterium für Strategische Angelegenheiten – für Angelegenheiten der nationalen Sicherheit zuständig ist, Anfang 2013 öffentliche Ausschreibungen für internationale Anwaltskanzleien gemacht hatte. Und zwar für „Vorbereitung von Dokumenten und rechtlichen Möglichkeiten sowie die Abwicklung von Gerichtsverfahren (Rechtsstreitigkeiten oder Prozessvertretung), soweit es für die Bekämpfung des BDS-Phänomens erforderlich ist, insbesondere hinsichtlich Aufrufen und Initiativen zur Verhängung von Boykott und Sanktionen gegen israelische Unternehmen und Betriebe sowie gegen ausländische Unternehmen, die in Israel geschäftlich tätig sind".

Die detaillierte Beschreibung der Dienstleistungen war aus dem Dokument gestrichen worden. Das Justizministerium sagte, die Details würden noch überarbeitet, da ihre Veröffentlichung „den Auslandsbeziehungen des Landes schaden und die Fähigkeit dieser Institutionen, die erbetenen Dienstleistungen zu erbringen, beeinträchtigen könnte".

Im Februar 2016 schloss das Justizministerium einen Vertrag mit einer Anwaltskanzlei ab, im Mai bat dann das Ministerium, die Kanzlei zu wechseln, da man festgestellt hatte, dass die ursprüngliche Kanzlei möglicherweise in einem Interessenskonflikt war.

Daraufhin wurde mit einer anderen Kanzlei ein Vertrag über 290.000 Euro mit der Option geschlossen, den Betrag um weitere 200.000 Euro für zusätzliche Tätigkeiten zu erhöhen. Eine weitere Ergänzung des ursprünglichen Vertrags wurde später genehmigt, dieses Mal für weitere 437.000 Euro, was einen totalen Auftragswert von 925.000 Euro bzw. 4 Millionen Schekel oder 1 Million US-Dollar macht.

Das Ausschreibungskomitee entschied, die Verträge wegen der Sensibilität der Angelegenheit für die israelischen Außenbeziehungen nicht über das „Manof“-Regierungssystem zu veröffentlichen.

Die Heimlichtuerei rund um diese Verträge erweckt den Verdacht, dass die Tätigkeit nicht nur mit rechtlichen Optionen zu tun hat, sondern auch mit Gerichtsverfahren gegen BDS-Unterstützer. Israel möchte aber nicht, dass bekannt wird, dass es hinter solchen Aktionen steht, um zu vermeiden, dass es  so aussieht, als mische es sich in die internen Angelegenheiten anderer Länder ein.

„Es besteht hier die Gefahr, dass Israel mit der Geheimhaltung der Anti-BDS-Aktivitäten in der Welt auf Glatteis gerät", sagte Mack gegenüber Ha'aretz. „Es ist zutiefst beunruhgend, dass militärische Technologie von hohen Beamten im Ministerium für Strategische Angelegenheiten im Kampf gegen Zivilisten im Ausland, die den Staat Israel kritisieren, eingesetzt wird."

„So wie es für Israel schwierig ist die Besatzung zu verkaufen, hatte das Regime von Südafrika Probleme, damit die Apartheid zu verkaufen", sagt er. „Pretoria setzte eine geheime Operation zur Desinformation und Verfolgung von Anti-Apartheid-Aktivisten in Gang, deren Aufdeckung zur Entlassung des Premierministers und zur Eröffnung strafrechtlicher Ermittlungen und eines Zivilprozesses in den USA führte. Wir hoffen, dass der Staat Israel die Geheimhaltung nicht benutzt, um die Grenzen zum Kriminellen zu überschreiten."

Das Geld wird als Budget für internationale Verträge ausgegeben. Der Bericht des Justizministeriums zeigt, dass die Regierung im März 2016 ohne eine öffentliche Ausschreibung einen Vertrag mit Sidley Austin für Beratungsdienste abschloss. In der ersten Hälfte von 2017 erhielt die Kanzlei $219.000. Keine andere Anwaltskanzlei wurde bisher im Rahmen desselben Budgets bezahlt.

Sidley Austin reagierte nicht auf Anfragen, ob (die Kanzlei) für die israelische Regierung arbeitet.

Sidley Austin ist eine der größten amerikanischen Anwaltskanzleien und beschäftigt 1.900 Anwälte. Es ist die Kanzlei, in der eine junge Anwältin, Michelle Robinson, einen Praktikanten namens Barack Obama traf. Die Kanzlei hat vier Büros in Europa: in Brüssel, London, München und Genf.

Quelle: www.haaretz.com/israel-news/.premium-1.818939

Übersetzung: K. Nebauer