Judith Bernsteins Rede beim Frankfurter Verwaltungsgericht am 04.05.2023

Leider konnte Judith Bernstein krankheitsbedingt nicht persönlich an der mündlichen Verhandlung im Frankfurter Verwaltungsgericht teilnehmen, ließ aber folgenden Text von ihrer Tochter, Shelly Steinberg, vorlesen:

 Sehr geehrte Vorsitzende, sehr geehrte Damen und Herren,

aufgrund meiner Krebserkrankung ist es mir leider gesundheitlich nicht möglich, persönlich hier zu sein. Daher freut es mich umso mehr, dass ich - vertreten durch meinen Rechtsanwalt Ahmed Abed und meine Tochter Shelly Steinberg - dennoch die Möglichkeit habe, mich zu den Sachverhalten zu äußern.

Ich bin 1945 in Jerusalem geboren und aufgewachsen. Meine Eltern stammten aus Deutschland und waren 1935 vor dem Naziregime geflohen. Die Eltern und weitere Verwandte meiner Mutter wurden in Auschwitz ermordet; ähnlich erging es der Familie meines Vaters. Zwar waren meine Eltern nicht in der Lage, direkt über diese Greueltaten zu reden, aber eines war immer klar: Rassismus hatte bei uns zu Hause absolut keinen Platz. Und so war mir schon klein auf die Ungleichbehandlung von Juden und Palästinensern im damaligen Palästina unverständlich.
Betrachtet man meine Familiengeschichte, machen einen die Antisemitismusvorwürfe, die Herr Becker schon mehrfach öffentlich über mich geäußert hat, nur sprachlos. Mich in die Nähe des Mörders von Halle und desNS-Antisemitismus zu rücken, ist an Geschmacklosigkeit und fehlendem Anstand nicht zu überbieten.

Herr Becker verwendet den Antisemitismusvorwurf als Druckmittel, seine pro-israelische Agenda durchzusetzen und ihm unliebsame Personen aus dem öffentlichen Leben und Diskurs zu verbannen bzw. mundtot zu machen. Das hat er auch im Jahr 2019 versucht, als die Titania wegen der Drohung von Becker, der damals Bürgermeister von Frankfurt war, den Raum kündigte für die Veranstaltung „Meinungsfreiheit statt Zensur“, die genau das kritisieren wollte. Das ist Zensur statt Meinungsfreiheit par excellence. Die vielen Organisationen, die mich eingeladen haben wurden gleich mit beleidigt, zum Beispiel: attac, IPPNW, Club Voltaire.
Den Beweis für seine Anschuldigungen bleibt Herr Becker jedoch immer schuldig. Sein Vorgehen und seine Vorwürfe gegen mich haben dazu geführt, dass ich von Veranstaltungen ausgeladen wurde, Veranstaltungen wegen meiner geplanten Teilnahme gar nicht erst stattfinden konnten und weitere Veranstaltungen (sei es auch ohne mich) aus Angst der Veranstalter vor der Streichung öffentlicher Gelder gar nicht erst umgesetzt wurden.

Für Herrn Becker spielt das Grundrecht auf Meinungsfreiheit scheinbar keine Rolle – er war maßgeblich daran beteiligt, dass mein Recht auf freie Meinungsäußerung ausgesetzt wurde. Meinungsfreiheit bedeutet aber nicht nur, dass jeder Einzelne frei seine Meinung äußern darf und v.a. die Möglichkeit dazu hat; Meinungsfreiheit bedeutet darüber hinaus auch, dass jeder das Recht hat, sich in erster Linie eine Meinung bilden zu können. Dieses Rechts beraubt Herr Becker die Gesellschaft, indem er unter Androhung von Konsequenzen aus seinem Amt heraus eine Zensur des öffentlichen Diskurses bezüglich der politischen Situation in Israel vornimmt.
Dass Herr Becker sich über sämtliche juristische Maßgaben, die seine Ämter mit sich bringen hinwegsetzt, zeigt auch ein Beispiel aus der Stadtverordnetenversammlung, in der über ein Verbot von Veranstaltungen mit Bezug auf BDS abgestimmt werden sollte. Dort hat Herr Becker auf Anfrage des Stadtverordneten Schulz von der FDP angegeben, er hätte sich vom Rechtsrat der Stadt beraten lassen, welcher die Verfassungskonformität seines geplanten Verbots bestätigt hätte. Eine solche Bestätigung lag der Stadtverordnetenversammlung jedoch nie vor. Was auch verwunderlich gewesen wäre, denn spätestens das Urteil vom Bundesverwaltungsgericht in Leizpig von Januar 2022 legt ganz klar die Verfassungswidrigkeit solcher Verbote dar. Öffentlichen Äußerungen Herrn Beckers zufolge hat er jedoch nicht vor, dieses Urteil zu respektieren, sondern treibt weiter seine verfassungswidrigen Maßnahmen gegen Kritiker der israelischen Politik voran.
Ein solches Vorgehen mag in der Lobbyarbeit Gang und Gebe sein – ist meiner Meinung nach jedoch nicht mit demokratischen, rechtsstaatlichen und verfassungsrechtlichen Werten vereinbar und Herrn Beckers Ämtern unwürdig – innerhalb derer er auf die Verfassung geschworen hat.

Zum Allgemeinen Verständnis möchte ich noch kurz anmerken:
Es ist nichts Jüdisches daran,
-          ein ganzes Volk zu vertreiben
-          eine Flüchtlingsbevölkerung zu schaffen,
-          Palästinenser und Palästinenserinnen zu exekutieren,
-          Millionen von Menschen militärisch zu besetzen,
-          Häuser zu zerstören,
-          Bäume zu entwurzeln,
-          Journalisten gezielt zu ermorden,
-          Palästinenserinnen und Palästinenser willkürlich zu verhaften – darunter auch viele Kinder,
-          Allgemein Menschen ihrer Rechte und Würde zu berauben.
Daher kann Kritik an diesen Zuständen auch nicht als antisemitisch gewertet werden. Wie bereits erwähnt, bleiben Herr Becker und seine Mitstreiter jegliche Beweise zu ihren Behauptungen und Diffamierungen schuldig.

Vielmehr hat der wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Dossier klar dargelegt, dass Kritik an der Politik Israels und somit auch die BDS- Bewegung nicht antisemitisch sind.

Auf welchen sachlichen und fachlichen Grundlagen basiert Herr Becker eigentlich seine Anschuldigungen? Wissenschaftliche Belege liegen bis dato nicht vor.

Für Herrn Becker scheint Israel einen Kampf für das Judentum zu führen – ich als aus Israel stammende Jüdin verwehre mich jedoch vehement gegen eine solche Interpretation des Judentums wie Herr Becker sie in Deutschland propagiert. Herr Becker merkt dabei gar nicht, was für eine Verzerrung des Judentums er vornimmt und den Juden auf lange Sicht dabei schadet. Seine permanenten Forderungen nach Verboten ihm unliebsamer Veranstaltungen und Meinungsäußerungen fördern eher den Antisemitismus als dass sie ihn bekämpfen. Im Gegenteil: Auch der Kampf gegen Antisemitismus hat im Rahmen verfassungsrechtlicher Grundlagen stattzufinden.
Leider führt Herrn Beckers Vorgehen jedoch dazu, dass wirklicher Antisemitismus nicht mehr als solcher erkannt wird.
Herr Becker unterstellt, dass BDS sich nur gegen Israels Politik richten würde, weil es sich bei den Besatzern um Juden handeln würde. Jedoch ist genau das Gegenteil der Fall – uns ist es egal, WER die Besatzer sind. Vielmehr ist es doch Herr Becker, der bei Israel andere Massstäbe anwendet als anderen Ländern gegenüber. Vielmehr ist es doch Herr Becker, der ein eher problematisches Verhältnis zu und Verständnis von Juden hat. Ich frage mich: Sind denn aus seiner Sicht auch die vielen Israelis, die derzeit gegen die Politik ihrer Regierung auf die Straße gehen, alles Antisemiten? Möchte er am liebsten auch ihnen das Recht auf Meinungsäußerung verwehren?

Herr Becker und die Stadt Frankfurt haben eine immer noch öffentlich einsehbare Pressemitteilung an hunderte Journalisten rausgegeben, in der ich als judenfeindlich verleumdet werde und in die Nähe es antisemitischen Mörders von Halle und des NS-Antisemitismus gerückt werde. Ich als Jüdin, deren Familie in Ausschwitz umgebracht wurde, werde von einem deutschen Antisemitismusbeauftragten, der nie in seinem Leben Antisemitismus erlebt hat, am Sprechen gehindert. Wegen meiner geplanten Veranstaltungsteilnahme sollten derTitania öffentliche Zuschüsse gestrichen werden. Es ist doch geradezu absurd, zu behaupten, gegen Antisemitismus zu kämpfen, wenn man gleichzeitig Juden in Deutschland ihrer Grundrechte beraubt.

Es gibt für mich keine schlimmere Beleidigung und ich erwarte eine Entschuldigung von der Stadt Frankfurt!

Vielen Dank.

Judith Bernstein vs. Stadt Frankfurt - Einschränkung der Meinungsfreiheit und Antisemitismusvorwurf nicht rechtmäßig!

Am 04.05.2023 fand der Prozess Judith Bernstein vs. Stadt Frankfurt am Frankfurter Verwaltungsgericht statt. Das Gericht hat zugunsten von Judith Bernstein geurteilt - hier der Text der entsprechenden Pressemitteilung:

Pressemitteilung vom 05.05.2023 Judith Bernstein gegen die Stadt Frankfurt vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt a.M. Verwaltungsgericht Frankfurt am Main: Stadt Frankfurt verletzt das Recht auf Meinungsfreiheit - Antisemitismusbeauftragter Uwe Becker darf jüdische BDS-Aktivistin nicht als antisemitisch beleidigen Die Klage der jüdischen Aktivistin Judith Bernstein gegen die Stadt Frankfurt am Main wegen der Diffamierung als antisemitisch hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht Frankfurt a.M. urteilte am 04.05.2023, dass die Pressemitteilung vom 10.11.2019 des Ex-Bürgermeisters Uwe Becker rechtswidrig war (Az. 7 K 851/20.F). Zur Begründung erklärte das VG Frankfurt, dass die Pressemitteilung das Sachlichkeitsgebot verletze und Judith Bernstein unzulässigerweise mit dem Vorwurf des Antisemitismus diskreditiere. Ein sachlicher Diskurs sei nicht mehr möglich, wenn Judith Bernstein und die von ihr unterstützte BDS-Kampagne als antisemitisch dargestellt und ein Veranstaltungsverbot gefordert werde. Judith Bernstein: „Das Urteil belegt, dass Uwe Becker aus seinem Amt heraus eine Zensur des öffentlichen Diskurses bezüglich der politischen Situation in Israel vorgenommen hat, indem er mich wegen BDS als antisemitisch beleidigt hat. Das ist ganz besonders bitter, weil meine Großeltern und weitere Verwandte meiner Mutter und meines Vaters in Auschwitz ermordet wurden. Ich als aus Israel stammende Jüdin verwehre mich jedoch vehement gegen den Missbrauch des Judentums für die Zwecke von Herrn Becker. Mein Einsatz für die Wahrung der palästinensischen Menschenrechte, auch mit den Mitteln von BDS, dürfen nicht mehr als antisemitisch diffamiert werden. Herr Becker ist als Antisemitismusbeauftragter des Landes Hessen nicht mehr haltbar.“ Judith Bernstein geht zudem vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen den Anti-BDSBundestagsbeschluss vor (www.bt3p.org). Ahmed Abed, Rechtsanwalt von Judith Bernstein: „Das Urteil belegt die Rechtswidrigkeit des Antisemitismusvorwurfs gegen BDS-Anhänger. In der jetzigen Woche der Meinungsfreiheit der Stadt Frankfurt ist das Urteil gegen die Stadt Frankfurt ein besonders wichtiges Zeichen für die Meinungsfreiheit. Die Stadt Frankfurt muss jetzt die Meinungsfreiheit für Menschenrechtsaktivistinnen wie Judith Bernstein wahren und darf sie nicht mehr ausgrenzen. Dieses Urteil wird Frau Judith Bernstein im Verfahren gegen den Anti-BDS-Beschluss des Bundestages sehr unterstützen.“ Als Bürgermeister der Stadt Frankfurt am Main bezeichnete Uwe Becker in einer Pressemitteilung vom 11.10.2019 Frau Judith Bernstein und die IPPNW, attac, Club Voltaire und Palästina Forum Nahost Frankfurt als antisemitisch und stellte sie in Verbindung mit dem antisemitischen Mörder von Halle. Zusätzlich drohte er allen, jegliche öffentliche Finanzierung zu entziehen, sollte ihr und der BDS-Kampagne ein Raum für die Veranstaltung ,,Meinungsfreiheit statt Zensur, Offene Diskussion zu Aberkennung der Gemeinnützigkeit und Raumverweigerungen - Möglichkeiten der Gegenwehr?" gegeben werden. Die Titania sagte daraufhin den Termin ab, wogegen sich die Veranstalter erfolgreich gerichtlich wehrten. Für Rückfragen: mail@judith-bernstein.deMünchen, den 05.05.2023

Lesung und Musik: Gedichte von Mahmoud Darwish - arabisch/deutsch

Lesung und Musik - Mahmoud Darwisch

Jürgen Jung (Deutsch) und Riyad Helow (Arabisch) lesen Gedichte des im Jahre 2008 verstorbenen palästinensischen Dichters Mahmoud Darwish. Dazu spielt Georg Naser auf der Oud.

Mittwoch, 17.05.2023, 19:30 Seidlvilla, Nikolaiplatz 1b, München
Montag, 05.06.2023 “Kunst im Bau”, München - genaue Details folgen

Eintritt frei, Spenden erbeten

Mahmoud Darwish ist einer der herausragenden zeitgenössischen Dichter in der arabischen Welt und gilt als die poetische Stimme des palästinensischen Volkes. In seinen Werken setzt er sich gleichermaßen gegen Unrecht und Unterdrückung wie für eine friedliche und gerechte Koexistenz von Palästinensern und Israelis, Araber wie Juden ein. Er wird dafür verehrt, dem kollektiven Schmerz über Vertreibung und Exil und der unsterblichen Liebe zu einer verlorenen Heimat ergreifend Ausdruck verliehen zu haben. Veranstalter: Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe München Salam Shalom Arbeitskreis Palästina-Israel e.V. Intercultural Music Association e.V.

_________________________________________________________________

Kontakt: www.jpdg.de, mailto@jpdg.de

Filmvorführung: "Zeit der Verleumder"

Dokumentarfilm von Dror Dayan und Susann Witt-Stahl. Deutschland 2021.
Mit Moshe Zuckermann, Rolf Becker, Esther Bejarano u.a.

„Der Rechtstrend in der westlichen Welt hat bizarre Erscheinungsformen. Linke werden als 'Nazis', jüdische Antifaschisten als 'Verräter' diffamiert“, hieß es in dem Aufruf zu einer Konferenz mit dem Titel „Zur Zeit der Verleumder“ in Anlehnung an ein Gedicht des österreichischen Schriftstellers Erich Fried.

Zu dieser einmaligen Vorführung des sehr aktuellen Dokumentarfilms mit anschließender Diskussion möchten wir Sie herzlich einladen:

Freitag, 18. Februar 2022, 18.00h - 22.00 h

Neuhauser TRAFO, Nymphenburger Str. 171 a, Rückgebäude direkt am U-Bahnausstieg Rotkreuzplatz stadtauswärts

U1 Rotkreuzplatz, Tram 12, Bus 53 und 144


Aufgrund der Corona-Bestimmungen bitten wir Sie, sich schriftlich unter elfi.padovan@gmx.de oder akramuc@t-online.de

anzumelden und ihren Impfpass mit Ausweis mitzubringen. 

Statt Eintritt bitten wir um Spenden für die Finanzierung und Promotion des Films.

Wir freuen uns über Ihr Kommen.

Salam Shalom Arbeitskreis Palästina-Israel e.V.    
Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe     
Frauen in Schwarz

PS.  Die für den 18.02.2022 geplante Gedenkveranstaltung für Reiner Bernstein wird am 11. Juni 2022 nachgeholt

Die Münchner Aidshilfe hat ohne Angaben von Gründen den von uns für Montag, 15.11.21, 19:00 Uhr gebuchten Saal gekündigt

Änderung: Neuer Raum

15.11., 19 Uhr, Münchner Friedenswochen

Judith Bernstein, Adrian Paukstat, Fuad Hamdan, Dr. Jochim Varchmin:

Von Jerusalem nach München: Erinnerungen, Einschätzungen, Hoffnungen zur Geschichte, Gegenwart und Zukunft Israels und Palästinas.

neuer Raum:

Liberales Zentrum, Bichlerstr. 72 - ehemaliger Kiosk am stadteinwärts führenden Gleis. Die S7 braucht von München-Hbf. ca. 20 Minuten bis nach Solln. Abfahrt alle 20 Minuten z.B. 17:53, 18:13, 18:33 usw.

Es gilt die 2G-Regel = geimpft oder genesen. Das wird am Eingang kontrolliert.

Die Veranstaltung wird gefilmt und soll auf YouTube eingestellt werden.






Veranstaltung im Rahmen der Münchner Friedenswochen

Judith Bernstein und Adrian Paukstat im Gespräch mit dem Dialoggruppen Mitbegründer

Fuad Hamdan und Dr. Jochim Varchmin

Von Jerusalem nach München: Erinnerungen, Einschätzungen, Hoffnungen zur Geschichte,

Gegenwart und Zukunft Israels und Palästinas

Judith Bernstein und Adrian Paukstat von der Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe berichten an diesem Abend über ihre persönlichen Erfahrungen und politischen Einschätzungen zur Situation in Israel und Palästina, sowie den Stand der politischen Kämpfe für Frieden und Gleichheit sowohl in Deutschland als auch vor Ort. Im Rahmen eines öffentlichen Interviews werden dabei sowohl politische als auch persönlich-biographische Themen angeschnitten.

Judith Bernstein ist als Tochter von Überlebenden der Shoah in Jerusalem geboren und aufgewachsen und später nach Deutschland emigriert. Seit vielen Jahren setzt sie sich für Frieden zwischen Palästina und Israel ein.

Adrian Paukstat ist deutscher Politikwissenschaftler, hat in Jerusalem gelebt, gearbeitet und geforscht und war dort in lokalen Friedensinitiativen aktiv.

Dr. Joachim Varchim ist ebenfalls Mitglied der Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe München.

Fuad Hamdan, geboren im Flüchtlingslager Qualandia, gründete 1985 die Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe.

Montag, 15. November 2021 von 19:00 bis 22:00 Uhr Saal

der Münchner Aidshilfe, Rückgebäude, Lindwurmstr. 71.

U3 / U6 Goetheplatz – für die Veranstaltung gelten die 3G-Regeln -

Veranstalter:

Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe München

Frauen in Schwarz München

Salam Shalom Arbeitskreis Palästina-Israel e.V.


ViSdP: E. Padovan, Frauenlobstr. 24, 80337 München

Meine Rede bei der Demo der Frauen in Schwarz am 14. Mai 2021 auf der Theresienwiese, München

Eigentlich wollten wir heute an die Nakba - die palästinensische Katastrophe von 1948 erinnern. Aber die letzten Tage haben gezeigt, dass die Nakba nie aufgehört hat – sie findet bis zum heutigen Tag statt. 1948 wurden die Palästinenser vertrieben und 2021 werden sie weiterhin vertrieben.

Was hat sich die israelische Regierung dabei gedacht, dass dieser Zustand ewig anhalten wird? Wer Augen im Kopf hat konnte sehen, dass diese unhaltbare Situation eines Tages platzen wird. Aber nicht nur Israel ist an der jetzigen Explosion schuld. Auch die Amerikaner und die Europäer und vor allem Deutschland. Denn seit Jahren hat man nicht nur die Aggression Israels nicht verhindert, sondern sie sogar unterstützt. 

Während in Palästina die Enteignung von palästinensischem Land und Häusern für Siedler, die Inhaftierung von Palästinensern ohne Gerichtsverfahren und die kollektive Bestrafung von zwei Millionen Menschen im Gazastreifen unter Belagerung stattfinden, wird bei uns über BDS und Antisemitismus diskutiert – ohne ein Wort über die Besatzung zu verlieren. 

Wie wir in den letzten Tagen gesehen haben, rächt sich jetzt auch die Apartheid – die Ungleichheit zwischen jüdischen und palästinensischen Bürgern Israels. Nicht nur in Silwan und Sheikh Jarrah werden seit Jahren Häuser für Siedler enteignet. Nach dem Abzug aus dem Gazastreifen wurden z.B. in Jaffa Palästinenser zugunsten von Siedlern aus ihren Häusern vertrieben. 

In Ostjerusalem, in der Westbank, in Gaza aber auch in Israel wächst eine junge Generation von Palästinensern auf, die sich nicht mehr von Israel ihren Alltag diktieren lassen will. Es ist eine Generation, die keine Perspektive, keine Zukunft und nichts zu verlieren hat. In den sozialen Medien sehen sie, wie andere Jugendliche in der Welt leben. Was sie wollen, ist in Frieden, in Würde und gleichberechtigt leben.  

Herr Schuster verlangt von der deutschen Regierung Solidarität mit Israel. Um welches Israel handelt es sich? Um das von Moshe Zuckermann, Ilana Hammerman und den Friedensgruppen in Israel – damit kann ich mich durchaus solidarisieren. Oder meint er das Israel von Netanyahu, der die Siedler hofiert und sie großgemacht hat und seit Jahren gegen die Palästinenser, nicht nur in den besetzten Gebieten, sondern auch in Israel hetzt. Zum Nationalstaatsgesetz, das Israel zum jüdischen Staat erklärt, in dem die nicht-jüdischen Bürger auf den Sekundärstatus herabgestuft werden, habe ich keine Reaktionen von unseren Politikern vernommen.

Stattdessen wird auch bei uns immer noch von der Zwei-Staatenlösung gesprochen – wo bittschön soll der Staat Palästina entstehen? Die letzten Tage haben aber gezeigt, dass auch die Einstaatenlösung obsolet geworden ist. Durch das Zögern, auf Israel Druck auszuüben, hat die sogenannte Weltgemeinschaft dazu beigetragen, dass keine Lösung in Sicht ist – eine Katastrophe für beide Völker.

Juden in Deutschland brauchen keine besondere Behandlung mehr

Das Verhältnis Deutschlands zu den Juden und zu Israel ist verständlicherweise durch den Holocaust geprägt. Doch dadurch ist er ritualisiert, anormal - und manchmal auch aktiv schädlich - geworden.

David Ranan, 20. April, 2020

Deutschland macht schwierige Zeiten durch, und das nicht nur wegen der Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie. Angela Merkel, die Verkörperung des deutschen, ja europäischen Gemeinsinns und der Stabilität und eine überzeugte Verfechterin des deutschen Sonderverhältnisses zu Israel nach dem Krieg, ist auf dem Weg nach draußen, während die rechtsextreme Alternative für Deutschland die drittstärkste politische Kraft im Bundestag ist und ihre Unterstützung regional konsolidiert.

Was bedeutet das alles für die Juden? Ist es möglich, in Deutschland ein "normales" jüdisches Leben nach dem Holocaust zu führen? Welche politischen Tendenzen bedrohen tatsächlich die freie Entscheidung der Juden in Deutschland, nach eigenem Gutdünken zu sprechen, zu handeln und sich zu identifizieren? Ist der politische Elitekonsens der Nachkriegszeit in Deutschland - für "Juden und Israel, richtig oder falsch" - so gefestigt, wie er einst war? Sollte er das? Haben Juden in Deutschland eine Zukunft? Und wenn ja, was für eine Zukunft?

Um zu verstehen, wo Deutschland und seine Juden heute stehen, muss man zu den Anfängen des jüdischen Lebens in der neu gegründeten Bundesrepublik zurückgehen. Es begann mit einer kleinen Gruppe von etwa 15.000 Juden, hauptsächlich aus Osteuropa, die sich dafür entschieden, die nach dem Krieg errichteten provisorischen Vertriebenenlager nicht zu verlassen, um sich auf den Weg nach Israel oder in die USA zu machen, sondern in Deutschland zu bleiben.   

Diese vertriebenen Juden, die sich entschieden, in einem Land zu bleiben, das immer noch voller Nazis war, und die wenigen tausend deutschen Juden, die nach dem Krieg zurückkehrten, wurden in der jüdischen Welt als Parias betrachtet. Diejenigen, die blieben, und ihre Vertretungen wurden jahrelang von der jüdischen Welt boykottiert. 

Für die meisten Juden auf der ganzen Welt war es für eine Normalisierung viel zu früh: Sie mussten Deutschland bestraft sehen. Dass eine kleine Zahl von Juden sich dafür entschied, im Land der Täter, unter den Tätern, zu leben, war ein Affront: Man hielt sie für würdelos, was den Namen und das Ansehen des jüdischen Volkes aktiv befleckte.

Jahrzehntelang nach dem Holocaust weigerten sich viele Juden, Deutschland zu besuchen, deutsche Waren zu kaufen, und lehnten sogar deutsche Reparationen ab - Israel erlebte gewalttätige Demonstrationen, als seine Regierung 1952 ein Reparationsabkommen unterzeichnete - und vermieden jeglichen Kontakt mit diesem Land. 

Um mit ihrem eigenen Unbehagen mit ihrer Entscheidung, im "Land der Täter" zu leben, fertig zu werden, erfand die Führung der kleinen jüdischen Gemeinde eine imaginäre Rolle. Sie überzeugten sich selbst und ihre Gemeinde davon, dass sie eine wichtige Rolle als Mittler zwischen dem neuen Deutschland und Israel sowie zwischen Deutschland und Juden weltweit spielten. Dies war eklatant unwahr. 

Im Juli 1949 sprach John McCloy, der US-Hochkommissar im besetzten Deutschland, über die Zukunft des jüdischen Lebens in Deutschland: "Was diese Gemeinschaft sein wird, wie sie sich formt, wie sie ein Teil wird und wie sie mit dem neuen Deutschland verschmilzt, wird, so glaube ich, von der ganzen Welt sehr genau und sehr aufmerksam beobachtet werden. Sie wird meiner Meinung nach einer der wirklichen Prüfsteine und der Test für den Fortschritt Deutschlands auf dem Weg zum Licht sein".  

Diese Botschaft wurde sowohl von jüdischen als auch von deutschen Politikern verinnerlicht. Mehr als 70 Jahre sind vergangen, und Deutschland ist zweifellos aus der Dunkelheit herausgekommen und ans Licht gekommen. Und doch ist es eine Tatsache, dass Deutschland und Juden weiterhin ein ungesundes, abnormales Verhältnis haben. Der Ruf nach einer Normalisierung der Beziehungen wird von einigen als Zeichen dafür gewertet, dass sie antisemitische Ansichten hegen. 

Die Beziehungen zu Israel sind ebenfalls von einem hohen symbolischen Gewicht geprägt.  In einer dramatischen Ansprache vor der Knesset im Jahr 2008 erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass die Gewährleistung der Sicherheit Israels Teil des deutschen Staatsräson sei, der "Staatsräson" - seiner Mission, Rechtfertigung und besonderen historischen Verantwortung. Die Erklärung war hauptsächlich emotional - Deutschland wird wahrscheinlich keine Soldaten in Israels Kriege schicken - aber Merkel war klar, dass die Verantwortung nicht verhandelbar sei.  

Fast 75 Jahre sind vergangen, seit Deutschland sein Vernichtungsprogramm zur Befreiung der Welt von Juden eingestellt hat, und es ist zu einem Land geworden, das tatsächlich viele Juden anzieht, um dort zu leben. Es war kein leichter Weg. Viele Juden der zweiten Generation nach dem Holocaust wollten nicht bleiben, und 1989 zählte die schrumpfende jüdische Gemeinde in Deutschland weniger als 30.000 Mitglieder. 

So wurde eine Notlösung gefunden, um ein völliges Aussterben der Gemeinde zu verhindern, indem "neue" Juden aufgenommen wurden. In den 1990er Jahren, nach der Auflösung der Sowjetunion, nahmen mehr als 200.000 Juden aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion ein offenes Visumsangebot der deutschen Regierung an und ließen sich in Deutschland nieder. Eine weitere Gruppe nichtdeutscher Juden, die Deutschland und insbesondere Berlin attraktiv finden, sind junge Israelis. Die Zahl der Israelis, die derzeit in Berlin leben, wird auf 10-30.000 geschätzt. 

Das Verhältnis Deutschlands zu den Juden und zu Israel ist verständlicherweise von der Vergangenheit geprägt. Dies hat jedoch dazu geführt, dass sie ritualisiert und künstlich geworden ist. Ein konkreter Akt symbolisiert es gut: Etwa einmal im Jahr finden die Bundeskanzlerin und/oder der Bundespräsident die Gelegenheit, den Juden öffentlich ihren Dank für ihren Aufenthalt in Deutschland auszusprechen. 

Und Bundespräsident Walter Steinmeier stellte kürzlich in Yad Vashem fest, er sei "beladen mit der schweren, historischen Last der Schuld", aber auch "erfüllt von Dankbarkeit für die uns entgegengestreckten Hände der Überlebenden, für das neue Vertrauen, das uns die Menschen in Israel und in der Welt entgegenbringen, für das blühende jüdische Leben in Deutschland". Deutsche Politiker und deutsche Medien, aber auch die breite Öffentlichkeit, gehen außerordentlich vorsichtig vor, wenn es um jüdische oder israelische Angelegenheiten geht. 

Ein Teil dieser zusätzlichen Sensibilität drückt sich in einem anderen Merkmal der deutschen Politik aus: dem Philosemitismus. Wenn Antisemitismus Judenfeindlichkeit ist, weil sie "Juden" sind - eingebildete negative Eigenschaften, die man ihnen nachsagt - dann ist Philosemitismus das Gegenteil. Er ist eine unkritische Liebe zu Juden, nur weil sie Juden sind, unabhängig von ihrer Persönlichkeit, Moral oder ihren Handlungen. Einige Deutsche, die vom Philosemitismus betroffen sind - was für viele eine andere Art ist, mit ihren Schuldgefühlen umzugehen - sind merklich obsessiv, wenn es um Angelegenheiten geht, die mit Juden oder Israel zu tun haben. 

Auf den ersten Blick sollte es keinen Grund geben, gegen Weltverbesserer Einwände zu erheben. Und doch führt die "positive" Besessenheit von jüdischen Angelegenheiten, die in ihrer zwanghaften Inbrunst der von Antisemiten nicht unähnlich ist, Philosemiten oft zu anomaler und schädlicher Agitation und politischer Aktivität.  

Wenn der Philosemitismus die Augen vor israelischen Menschenrechtsverletzungen oder Ungerechtigkeiten verschließt, dann ermöglicht er das Schlechte, nicht das Gute. Wenn der Philosemitismus einen solchen Schutzschild über Juden und jüdisches Leben errichtet, dass diese mehr und mehr in ein wohlwollend gemeintes Ghetto eingeschlossen werden, dann ist er eher schädlich als nützlich. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass Umfragen in Deutschland zeigen, dass die reflexartig pro-israelische Haltung der politischen Eliten und der sich selbst identifizierenden Philosemiten von der allgemeinen Bevölkerung nicht geteilt wird

Ein weiteres deutsches Phänomen, das die deutschen Diskussionen über jüdische und israelische Angelegenheiten gelegentlich verzerrt, ist die kleine, aber ziemlich aggressive Gruppe, die sich selbst als anti-Deutsche bezeichnet. Sie schreckt nicht davor zurück, Ansichten, die sie nicht akzeptieren, als "antisemitisch" zu etikettieren.  

Anti-Deutsche ("Anti-Deutsche") begannen als eine antinationalistische politische Splittergruppe der radikalen Linken des Landes. Nur ein Nationalismus ist sakralisiert: der israelische. Scharfe Unterstützung für Israel und Widerstand gegen den Antizionismus sind ein wichtiges Merkmal des antideutschen Denkens. 

Es gibt drei weitere kritische Teilnehmer am deutschen Diskurs über Juden, Antisemitismus und Israel. Es handelt sich um den Zentralrat der Juden in Deutschland (das repräsentative Dachorgan der Gemeinde), den Staat Israel, der direkt, aber auch über verschiedene informelle und teilweise unter dem Radar laufende Kanäle tätig ist, und die große amerikanisch-jüdische Interessenvertretung, das American Jewish Committee (AJC).

Ihre Lobbyarbeit, zusammen mit der unermüdlichen Arbeit philosemitischer Bundestagsabgeordneter, hat Deutschland unter Druck gesetzt, eine substanzielle neue und meines Erachtens unnötige Bürokratie zur "Bekämpfung" des Antisemitismus aufzubauen: Zaren des Antisemitismus, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene.

Es ist bemerkenswert, dass deutsche Politiker nicht den Anstand besaßen, die mehr als vier Millionen Muslime, von denen viele regelmäßig Islamophobie erleben, mit einer parallelen Ernennung zur Behandlung von Fragen der antimuslimischen Aufhetzung und Gewalt zu bedenken. Oder vielleicht noch besser, eine einzige Funktion zu schaffen, die sich sowohl mit Rassismus als auch mit Antisemitismus befasst?

Und wenn schon nicht Anstand, so doch zumindest Pragmatismus: Es besteht kein Zweifel, dass Juden, die bereits als privilegierte Minderheit betrachtet werden, offenbar eine Sonderbehandlung erhalten.In meiner Untersuchung zum Antisemitismus unter Muslimen in Deutschland äußerten einige meiner Befragten Ressentiments gegen eine Sonderbehandlung, wie etwa zusätzliche Sicherheit für Synagogen, im Vergleich zu dem null zusätzlichen Schutz, den die Staaten den Moscheen gewähren, obwohl sie von der gewalttätigen extremen Rechten bedroht werden.

Diejenigen, die sich für eine Verschmelzung von anti-israelischem Aktivismus und Antisemitismus einsetzen - die erklärte Haltung Israels selbst wie auch der Trump-Administration - sind ebenfalls sehr aktiv und zunehmend erfolgreich in Kampagnen, die darauf abzielen, keine plattformunabhängigen Meinungen zu verbreiten, mit denen sie nicht einverstanden sind. Im Klartext, um solche Stimmen zu boykottieren. Einzelpersonen, Organisationen und Staaten des Antisemitismus zu beschuldigen war schon immer eine wichtige Waffe in Israels Arsenal, um diejenigen zum Schweigen zu bringen, die es kritisieren, was zu dem absurden Konstrukt führt, fälschlicherweise zu behaupten, dass die Boykott-, Desinvestitions- und Sanktionsbewegung antisemitisch sei. 

Der jüngste Erfolg dieser Kampagne war die Entscheidung des Bundestages, die BDS als antisemitisch zu definieren. Die Entscheidung hat die unmittelbare Folge, dass jeder, der offen über diese gewaltfreie palästinensische zivilgesellschaftliche Bewegung diskutieren will, von allen öffentlichen Körperschaften, der Regierung, den Kommunalverwaltungen und halbstaatlichen Organisationen, Kirchen, Universitäten und anderen Organisationen nicht mehr unterstützt wird. Die israelische Botschaft, der Zentralrat der Juden in Deutschland, sogar der Bundeszar des Antisemitismus drängen aggressiv auf die Umsetzung dieses Bundestagsbeschlusses. 

Diese einzigartige Mischung von Akteuren, die alle eine besondere Rolle im Verhältnis Deutschlands zu den Juden, zu Israel und zum Antisemitismus fordern und erhalten, hat zu einer ungesunden Situation geführt: ungesund für Deutschland und ungesund für die deutschen Juden, von denen rund 90 Prozent Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion und ihre Nachkommen sind. Sie wurden von der deutschen Regierung ins Land geholt, um als Juden zu dienen, um jüdisches Leben zu ermöglichen, weil Deutschland glaubt, dass es eine jüdische Gemeinde braucht, um zu beweisen, dass sie "sauber" ist. 

Zu diesem Zweck haben politische und kommunale Institutionen und Rituale eine Gemeinschaft mit einer Meta-Mission geschaffen, eine Gemeinschaft, die in einer seltsamen, verweichlichten Blase lebt, die auch für die rechte israelische Politik mobilisiert, ja sogar bewaffnet wird. 

Damit ein Wandel stattfinden kann, muss die jüdische Gemeinde selbst ihn herbeiführen. Weder die Philosemiten noch die Anti-Deutschen werden wahrscheinlich ihr Gesangbuch ändern. Israel und die es unterstützenden Akteure, seien es einflussreiche amerikanisch-jüdische Gruppen oder andere, sind entschlossen, die Angst Deutschlands, des Antisemitismus beschuldigt zu werden, auszunutzen, um möglichst viel Kritik an Israel zu verdecken. Die jüdische Gemeinde braucht eine Führung, die den Weg zur Normalität weist. Es ist unwahrscheinlich, dass dieser Wandel von der nicht-jüdischen Mehrheit Deutschlands ausgehen wird.

Es bleibt zu hoffen, dass die deutsch-jüdische Gemeinde, die derzeit den Kampf gegen den Antisemitismus nicht nur als notwendige Selbstverteidigung, sondern als integralen Bestandteil der Definition ihrer eigenen Identität zu betrachten scheint, einen Ausweg aus diesem morbiden Muster findet. Das sind Menschen, die sich entschieden haben, nach Deutschland zu kommen und einfach nur in Deutschland zu leben. Punkt. Die Juden in Deutschland selbst sollten die Vorstellung ablehnen, dass sie eine metahistorische Rolle zu spielen haben. Eine neue Post-Merkel-Administration könnte eine gute Gelegenheit für einen Neuanfang sein. 

 

Der in Israel geborene Dr. David Ranan ist Politikwissenschaftler und Autor, der seine Zeit zwischen London und Berlin aufteilt. Sein jüngstes Buch ist "Muslimischer Antisemitismus": Eine Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden in Deutschland?". ("Muslimischer Antisemitismus: Eine Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden in Deutschland?") (2018). Seine aktuelle Arbeit konzentriert sich auf politische Terminologie und ihre Manipulationen. Sein Buch zu diesem Thema soll Ende 2020 in Deutschland erscheinen. Twittern: @davidranan

David Ranan

https://www.haaretz.com/jewish/.premium-jews-in-germany-don-t-need-special-treatment-any-more-1.8781024

 

 

Referate auf der Veranstaltung "Meinungsfreiheit statt Zensur" am 15.10.2019 im Titania Theater in Frankfurt

Referate auf der Veranstaltung "Meinungsfreiheit statt Zensur" am 15.10.2019 im Titania Theater in Frankfurt

Referat Hartmut Bäumer / Transparency Deutschland

 

Referat Judith Bernstein / Judische-Palästinensische-Dialog-Gruppe München

 

Referat Dr. Khalid Hamad / Palästinensische Gemeinde Deutschland

 

Tonaufzeichnung

 

https://nc.coalcave.de/index.php/s/gD6PS737KQEDqke

 

Datei 1: Bäumer ab Min 0:  (die ersten ca. 20 Minuten fehlen)

 

Datei 1: Judith Bernstein ab Min 15:20

 

Datei 2: Judith Bernstein

 

Datei 2: Dr. Khalid Hamad  ab Min 6:10

 

 

Referat Hartmut Bäumer / Transparency Deutschland

Eingangsreferat

 

(Der Anfang des Referats fehlt - ca. 20 Minuten)

 

..... der Öffentlichkeit ganz deutlich gemacht, dass man mit denen eigentlich nichts zu tun haben darf. Das sind so die Zwischenstadien zwischen formal demokratisch organisierten und mehr direkt autoritär wie in China ???? das was nicht opportun ist, wird verboten

 

Wir haben leider in der EU auch Staaten, die immer mehr zu dieser - Orban hat gesagt "illiberalen Demokratie" kommen in dem sie auch ihren NGOs[1] das Leben ganz schwer machen, dadurch, dass sie Gelder entziehen oder wie z.B. in Ungarn, jemand wie der Soros der die Universität mit viel Freiheitswillen aufgebaut hat und jetzt nach Wien umziehen muss.[2] Das sind die subtilen Wege, wie man dazu beiträgt oder wie Staaten versuchen die Meinungsfreiheit, die organisierte Meinungsfreiheit, einzuschränken.

 

Man kann sich natürlich fragen in unserem Staat, gewaltengeteilten Staat, formal auch demokratisch und ich würde sagen wir sind auch gemessen an vielen anderen Ländern demokratisch, aber die Anfechtungen sind ja da.

 

Warum brauchen wir denn eigentlich die Zivilgesellschaft?

 

Und das ist in den letzten 2030 Jahren so deutlich geworden. Ich brauche momentan da nur an Friday for Future zu erinnern. Wenn der Druck, und zwar egal in welcher Partei, das gilt auch für die Grünen, da bin ich ja Mitglied, wenn der Druck der Zivilgesellschaft auf Veränderungen nicht da ist, dann werden wir gemeinsam immer mehr in eine Politik gepresst, die als unabänderlich dargestellt wird.

 

Und nur dadurch, dass Menschen bereit sind zu sagen sie kämpfen für andere Ziele und sie weisen darauf hin, dass was falsch läuft und zwar bei uns, wie in anderen Ländern, nur dadurch wird Demokratie wach und lebendig. Das ist zwar in den letzten 25 Jahren gesehen worden, es ist aber in Deutschland nicht zu einer Änderung gekommen, wo es hätte sein müssen.

 

Und jetzt komme ich Mal auf die Sache mit Attac zu sprechen.

 

Seit Rot Grün, 1998 - da war ich Regierungspräsident in Gießen - , haben wir die Diskussion gehabt, dass die Abgabenverordnung geändert werden muss, dass die Zivilgesellschaft gestärkt werden muss.

 

Und dann gab es auch eine Enquete Kommission, die hat 2002 ganz vernünftige Vorschläge vorgelegt hat, aber die sind auch versandet.

 

2005 kam dann der erneute Regierungswechsel, aber auch die damaligen Parteien Rot/Grün haben sich nicht mit Ruhm bekleckert, weil man es hätte festklopfen müssen, dass die Organisationen, die sich im Gemeinwohlinteresse engagieren, besser geschützt sind.

 

Denn ohne die finanzielle Absicherung, auch über die Gemeinnützigkeit, läuft da wenig.

Es ist vollkommen klar, man lebt auch von kleinen Spenden, aber in dem Moment, wo auch nur ein paar hundert Euro wenigstens steuerlich absetzbar sind, ist es eher so, dass man die bekommt, als wenn es nicht so ist, oder gar noch stigmatisiert wird‚ "na, die sind nicht so ganz koscher, die kriegen keine Gemeinnützigkeit."

 

Dies ist nicht erfolgt und hat dazu geführt, dass über die Jahre zwar die Regierenden gesehen haben, was die NGOs machen und manchmal war man froh, dann hat es Druck in die Richtung gemacht, die man auch will, aber man hat ganz genau beobachtet, wo werden jetzt Grenzen des politisch Genehmen? des Gewollten eventuell der Parteien verletzt.

 

Und deswegen hat man es nicht ausgeweitet, sondern sich die Möglichkeit vorbehalten in einer bestimmten Art und Weise evtl. gegen Organisationen eventuell vorzugehen, hat man nicht gemacht

 

Und dann kam hier vom Finanzamt Frankfurt die Infragestellung der Gemeinnützigkeit von Attac. Und das ist nun ganz interessant. Dann wurde das abgesprochen, es gibt einen Katalog in der Abgabenordnung,  aus dem sich das ergibt.

 

Dann hat aber der Hessische Finanzhof entschieden: das ist zu Unrecht geschehen. Und jetzt kommt die schwierige Volte - ich bin wirklich als kurz nach dem Krieg Geborener in diesem demokratischen Staat angekommen und ich habe wichtige Funktionen als Beamter innegehabt, aber manches, da fass ich mir einfach an den Kopf, wie können Beamte so etwas machen.

 

Hier ist nämlich jetzt Folgendes passiert – nach den Informationen, die ich habe -, hat das Hessische Finanzamt dann gesagt: ok, wir machen nichts.

 

Und dann kam vom Bundesfinanzministerium - und der Scholz hat daran auch nichts geändert, da war er noch nicht Minister  – kam der Druck dagegen in Berufung zu gehen oder in Revision.

 

Dann hat der Bundesfinanzhof diese schwierige Entscheidung vor allem mit der Begründung gefasst „Zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich allgemein politisch betätigen verlieren den Schutz der Gemeinnützigkeit“.  Sie dürfen sich also nur in ganz engen Rahmen (betätigen), in dem sie die Gemeinnützigkeit anerkennen.

 

D.h. für uns (Transparency Deutschland)[3] wir müssen die Strafbarkeit, uns dafür einsetzen, dass die Korruption bestraft wird, also sehr eng.

 

Jedem, der sich Mal organisiert engagiert hat ist klar, dass es so nicht geht, sondern dass man dann auch Forderungen an Parteien stellt: Das müsst ihr ändern damit es in diesem Sinne besser wird.

 

Der Hintergrund dieser so engen Auslegung ist nicht, dass die das nicht machen konnten, dazu bin ich Jurist genug. Sowohl der Hessische Finanzhof wie der Bundesfinanzhof konnten auf der Basis dieser schwammigen Formulierungen so entscheiden wie sie entschieden haben.

 

Der Hintergrund ist aber einer, den wir nun ganz vergessen haben.

 

Man hat in den 90er Jahren gesagt, man will die Parteien zügeln in ihrem ungezügeltem Drang nach mehr Geld. Und dann gab es ja die Parteienfinanzierung und man wollte verhindern, dass sie über Organisationen, die sie selber gründen, quasi sie sich auf einen Umweg begeben um an Geld zu kommen (<????). Und deswegen diese Einschränkung der allgemeinpolitischen Betätigung.

 

In den letzten 25 Jahren ist aber so viel passiert, dass, wie ich am Anfang gesagt habe, die Parteien in vielen Fällen gar nicht mehr abdecken was in der Gesellschaft tatsächlich los ist und gefordert wird.

 

Das gilt übrigens auch bis in Ecken, mit denen ich nun gar nichts zu tun hab. Das muss man aber heute sagen, wir wollen das nicht ausweiten,  damit nicht auch noch Pegida gemeinnützig wird.

 

Das ist an den Haaren herbei gezogener Quark. Das ist wirklich nicht angezeigt.

 

Weil bei Pegida klar ist, da sind verfassungsrechtliche Grenzen weit überschritten und zu sagen, dann müssten wir ihnen das auch geben, das ist Unsinn. Das ist aber nur die fehlende Bereitschaft sich damit auseinanderzusetzen.

 

Im Ergebnis haben wir jetzt die Situation, dass im Moment Herr Scholz ein 180 Seiten Reformgesetz für Steuerrecht vorlegt – dieser ????? kommt nicht vor, hätte er gekonnt, hat er nicht gemacht

 

Das heißt, es gibt nach wie vor eine fehlende Bereitschaft  auch den notwendigen Hirnschmalz anzuwenden. Man muss schon schauen was man tut. Es geht nicht darum, dass alles gemeinnützig sein kann, was man sich auf die Fahnen schreibt. Ich habe Pegida eben schon genannt. Aber das ist ohne Probleme machbar

 

Das ist eine Situation, die mir und uns zeigt dass das Wissen und auch das politische Gespür dafür, was Demokratie in der Gesellschaft ausmacht, dass das fehlt.

 

Man will in den Denkkategorien bleiben in der Politik und dann sagen, da möchte ich nicht dran gerührt haben.

 

Und diejenigen, die das stört und die das stören wie z.B. die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die werden mit dem Risiko belegt, dass man sie auch austrocknet.

 

Und da schließt sich der Kreis zu einem ganz anderen Thema. Will ich nur andeuten, da stehen natürlich ganz starke mächtige Kapitalinteressen dahinter.

 

Wer so VW, Audi, auf die Füße tritt, der darf sich leider auch nicht wundern, dass er angegriffen wird. Und da ist es wirklich notwendig zu sagen – wehret den Anfängen.

Das ist so, wenn man das zulässt, dass eine Organisation wie die DUH, die gesetzlich eigentlich Aufgaben wahrnimmt, die die Verwaltung wahrnehmen müsste – ihr hat man ja die Aufgabe übertragen teilweise zu schauen, ob Betriebe die Umweltnormen einhalten oder nicht.  Dass man dann quasi denen entgegenhält, ihr seid ja sozusagen gesetzesuntreu, man müsste euch das Wasser abgraben, das ist schon mehr als hanebüchen (<??).

 

Ich will an dieser Stelle, neben der Sache, die ich gerade zitiert habe – was ein Herr Pfeifer, Bundestagsabgeordneter, der sich so geäußert hat, aber noch ein paar andere eben auch, der Ministerpräsident von NRW[4] - aber auch nochmal auf heute Abend zu sprechen kommen.

 

Wie gesagt, ich bin kurz nach dem Krieg geboren, ich weiß, welche fürchterliche Gräuel die Deutschen den Juden, auch anderen, angetan haben und so ne Debatte, die ist schon sehr schwierig.

 

Weil ich gerade gehört habe, dass sie aus München kommen, ich war da Fraktionsvorsitzender, da war Strauß noch Ministerpräsident und dann gab es den ersten Krieg um Kuwait. Und da haben wir auch da ne Debatte gehabt und ich hatte auf der einen Seite einen sehr netten Palästinenser und auf der anderen Seite eine sehr nette Israelin. So schwierig - es war auf dem Marienplatz - , hab ich ne Diskussion noch nie empfunden.

 

Jetzt bin ich ein paar Jahre älter und es ist immer noch schwierig – dies möchte ich vorab sagen.

 

Und ich möchte auch sagen, was an diesem Abend so deutlich wird ist, wenn man das nicht mehr diskutieren will oder kann, dass vielleicht einige Menschen  - ich stehe nicht hinter den Forderungen von BDS, manches finde ich aber nachvollziehbar, aber das ist ja was ganz anderes - aber wenn ich das nicht mehr diskutieren kann oder hier lesen muss, dass der Herr Becker dem Club Voltaire androht die Zuwendungen zu entziehen, ja dann sage ich – wo sind wir denn eigentlich. (Beifall)

 

Mit einer Anekdote schließe ich, die hat auch mit Frankfurt zu tun.

 

Sie wissen, hier war Mal ein Hr. Brück OB und der war auch mal, da war er noch nicht OB, da war er Dezernent, da war ich Richter am Arbeitsgericht, da wurde ein Mann entlassen, dem unterstellt wurde er sei Mitglied des KBW (Kommunistischer Bund Westdeutschland). Und dann war der das nicht mehr.

 

Und ich war an einigen Stellen Vorsitzender und ich muss Ihnen ehrlich sagen, die Art wie Brück argumentiert hat, er war Oberstaatsanwalt, wenn ich ihm gesagt hätte, was ich gedacht habe, jetzt kann ich es sagen „Du hättest im Dritten Reich auch deine Rolle gespielt“ - wie er argumentiert hat, das war unmenschlich und daneben.

 

Das hat jetzt nichts mit Herrn Becker zu tun, weil ich den nicht kenne, aber ein guter Freund von mir hat gesagt, der sei recht liberal. (Lachen)

 

Das man heute, warum auch immer, sich hinstellt und sagt, das wollen wir nicht diskutieren, ich setze mich auch mit AfD Unterstützern hin, das mache ich mit Bauchschmerzen, aber verdammt nochmal, wir müssen diese Diskussion aufnehmen, sonst geht es nicht besser.

 

Ich habe Israel besucht, und ich verstehe zumindest, dass einige im Westjordanland oder in Hebron Lebenden, wo man dort mit Scheiße von oben runter beschmissen wurde, die sagen, ich kann das nicht mehr, ich halte das nicht mehr aus.

 

Auf der anderen Seite habe ich auch Freunde, die ein Kind verloren haben, weil eine Bombe im Bus hochging.

 

Also, das ist nicht nur schwarz – weiß.

 

Ich finde aber zu der Debatte, ????  Sozialistischen Büro, wo ich auch war, und Michael Brumlik und der BDS ????  der neue McCarthyismus, da ist vieles gesagt, was es zu sagen gibt.[5]

 

 

 

 

Matthias Jochheim

 

Vielen Dank Herr Bäumer, ich finde Sie haben einen wirklich wunderbaren Einstieg in unseren Abend hier gemacht, weil Sie Themen angesprochen haben, die wir heute auch sicher noch weiterhin bearbeiten werden und sozusagen die Vogelperspektive auf die Problematik.

Dann wollen wir jetzt Judith Bernstein bitten etwas aus ihren Erfahrungen in München und der weiteren Umgebung zu erzählen. 

 

 

Referat Judith Bernstein

 

Ich bedanke mich erstmal für die Einladung.  Ich möchte am Beispiel München erläutern. Ich werde dabei auf die JPDG [6] eingehen, deren Mitglied ich bin und auf die Erfahrungen, die mein Mann [7] und ich gemacht haben. Ich werde nicht alle Vorkommisse vortragen. Damit würde ich Sie wirklich überfordern.

Mein Mann war 1977 Bundesgeschäftsführer der DIG[8] geworden. Er hat den Fehler gemacht mit einer Gruppe den arabischen Bürgermeister von Nazareth zu treffen und den kritischen Erziehungswissenschaftler Ernst Simon nach Deutschland einzuladen. Nachdem der damalige israelische Botschafter in Deutschland Yohanan Meroz die DIG vor die Wahl stellte, entweder meinen Mann zu entlassen oder auf die Beziehung zu verzichten, wurde natürlich mein Mann entlassen. Dazu möchte ich ihnen ein Zitat vortragen. Es stammt vom damaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Ernst Benda, der auch Präsident der DIG war.

Bereits 1974 hat er in der Universität in Tel Aviv folgendes vorgetragen. "Als mir vor einigen Jahren in Jerusalem - ich war damals Präsident der DIG - von einem prominenten Vertreter ihres Landes der Dank dafür ausgesprochen wurde, dass wir so nachhaltig die Interessen Israels in der Bundesrepublik verteidigen, habe ich mich gegen diese Anerkennung deswegen verwahrt, weil wir nicht die Agenten Israels in Deutschland sind. Wir vertreten, wie es selbstverständlich ist, die Interessen unseres eigenen Landes, die wir so verstehen, dass der Einsatz für die Existenz und das Lebensrecht Israels zu den essentiellen Bestandteilen deutscher Politik gehören. Würde das in irgendeiner Weise zweifelhaft werden, würde eine nationale Politik, die Anspruch auf Glaubwürdigkeit erhebt und damit die Chancen auf Erfolg einschließt unmöglich sein. Diese Haltung der Solidarität schließt das Recht und die Pflicht zur Kritik ein, wenn wir glauben, dass Israel falsch handelt."

Das ist in den DIG-Informationen 1974 erschienen. Heute 45 Jahre später gewinnt man mehr denn je den Eindruck, dass deutsche Politiker in Sachen Nahost nicht deutsche, sondern die Interessen der israelischen Regierung und des Zentralrats der Juden in Deutschland vertreten.

Im Januar 2014 wurde in der Montessori-Schule in München die "Nakba"-Ausstellung gezeigt. Gegen die und unsere Vorträge gab es massiven Protest seitens der israelischen Kultusgemeinde, der liberalen Gemeinde, der DIG, der GRÜNEN Jugend und der Janus-Korczak-Akademie.[9] Ich wurde als Lügnerin und Verräterin bezeichnet. Ich habe eigentlich nur erzählt wie ich in Jerusalem aufgewachsen bin. Der Bruch kam am 9. November 2014. Auf Betreiben der israelitischen Kultusgemeinde wurde uns der Zutritt zur öffentlichen Erinnerung an die Pogromnacht am 9. November 1938 mit der Begründung verwehrt, man habe seine Vorschriften.

Ende 2014 bat mich die Konrad-Adenauer-Stiftung um einen Beitrag "Befreiung von Auschwitz - was die Enkelgeneration heute bewegt" für die Zeitschrift "Die politische Meinung". Darin bin ich auf das Schicksal meiner Familie eingegangen. Also meine Großeltern sind von Erfurth nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden. Meine Eltern sind 1935 nach Palästina gegangen. Ich fügte hinzu, mit der Erinnerung an die Shoa  verzeichnet die Politik erhebliche Erfolge Ängste in der Bevölkerung zu schüren. Daraufhin wurde mir mitgeteilt, dass der Beitrag interne Debatten um die politischen Implikationen ausgelöst habe, die möglicherweise Missverständnisse in Bezug auf die Intentionen der Konrad-Adenauer-Stiftung hervorrufen könnten. Der Artikel wurde nicht gedruckt.

Die Auseinandersetzung um die Vergabe von städtischen Räumen begann im November 2015 mit der Einladung von Christoph Glanz aus Oldenburg zu erklären was BDS ist.[10] Die Abendzeitung schrieb schon im Vorfeld dazu: "Es ist einer von vielen Vorträgen, die in den Räumen des Gasteigs stattfinden. Nur wenige dürfen als antisemitisch bezeichnet werden. ‚Palästina/Israel – Herbst 2015‘ am Samstag ist es jedoch mit Sicherheit." Charlotte Knobloch wird in dieser Zeitung so zitiert:  Antisemitisch sei die Parole "Kauft nicht bei Juden", die modernisierte Form des Nazi-Jargon "Kauft nicht vom jüdischen Staat". Und seit dem kursiert ja dieser Satz. Damit verharmlost sie den Holocaust. Die Juden damals wurden deshalb boykottiert, weil sie Juden waren, hingegen könnte Israel die Besatzung beenden.

Oberbürgermeiste Reiter versicherte Frau Knobloch, dass in Zukunft solche Veranstaltungen nicht von der Stadt gefördert werden - wir haben noch nie eine Förderung bekommen. Am 13. Oktober 2016 wurde die Veranstaltung in der Evangelischen Stadtakademie mit dem israelischen Staatsbürger Muhammad Darawshe dem Direktor von Givat Haviva, eine der wenigen Einrichtungen in Israel, die sich dem friedlichen Zusammenleben von Juden und Arabern widmen unter Antisemitismusverdacht gestellt. Sogar Herr Steinmeier hat Givat Haviva besucht. Ist er vielleicht auch Antisemit?

Ende Mai sollte in der Evangelischen Akademie in Tutzing eine Tagung stattfinden zum Thema Nahostpolitik im Spannungsdreieck - israelische und palästinensische Friedensgruppen als Lernorte für die deutsche Politik? Diese Gruppen zählen zu den letzten, die noch miteinander kooperieren. Eine von ihnen wurde sogar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Auf Druck der Jüdischen Gemeinde und des Israelischen Konsulats sagte die Landeskirche die Tagung ab, was zu heftigen Protesten führte. Zur Begründung hieß es, die Tagung sei nicht ausgewogen. Die Süddeutsche Zeitung berichtete dazu, dass eine der Organisatorinnen[11] die BDS-Kampagne unterstütze, ferner zitierte sie mich aus meinen Brief an Sigmar Gabriel damals, das Einknicken deutscher Institutionen schüre den Antisemitismus. Dieser Meinung bin ich immer noch.

Im Mai hatte die Jüdisch-Palästnensische-Dialog-Gruppe Gideon Levy, ein bekannter Journalist von der Haaretz,[12] zu einem Vortrag mit dem Titel "Fifty years to the occupation - how is it possible?  in das Kulturzentrum Gasteig eingeladen. Oberbürgermeister Reiter und der Geschäftsführer Schmidt wollten absagen. Der Geschäftsführer des Gasteigs und die Mitarbeiter des Zentrums baten den Referenten nicht über BDS zu sprechen - das war auch gar nicht sein Thema. Die SZ wählte den aufreißerischen Titel "Kritisch oder schon antisemitisch? Umstrittener Gast im Gasteig." Der Referent unterstütze BDS, was überhaupt nicht gestimmt hat.

Am 11. Juli 2017 haben CSU und SPD den Antrag eingebracht städtische Räume nicht länger Gegnern der israelischen Regierungspolitik zur Verfügung zu stellen. Die Jüdisch-Palästinensische-Dialog-Gruppe wurde als einzige erwähnt. In dem gemeinsamen Antrag der beiden Parteien heißt es, München stelle sich gegen die antisemitische BDS-Kampagne. Die Landeshauptstadt werde außerdem nicht mit Gruppierungen, welche die Ziele von BDS verfolgen, in Form von Zuschüssen oder Raumvergaben kooperieren. München will also kritische Veranstaltungen zur israelischen Politik unterbinden. Ich wäre gespannt, ob dieses Verbot auch ausgesprochen würde, wenn Frau Knobloch zu diesem Thema eingeladen würde.

Im Oktober hielt ich den Vortrag "Jerusalem, das Herzstück des israelisch-palästinensischen Konflikts." Er kam nur nach einer einstweiligen Verfügung zustande. Auf Betreiben von Mariam Offman, Mitglied der Israelitischen Kultusgemeinde und der CSU - heute ist er bei der SPD - ist es mir seit diesem Vortrag verboten in München über Jerusalem zu referieren und mich an einer Veranstaltung zur Politik Israels aktiv zu beteiligen. Am 13. Dezember[13] wurde der Antrag im Münchner Stadtrat verabschiedet.

Ende Januar 2018 hat die Humanistische Union meinen Mann und mir den Preis "Der aufrechte Gang" für unser Engagement sowohl in der Intitiative "Stolpersteine für München" als auch für unseren Beitrag zur friedlichen Regelung des Nahostkonflikts auf der Grundlage der Koexistenz beider Völker vergeben. Die zahlreichen Bemühungen der Humanistischen Union die Preisverleihung in einem städtischen Raum wie im Kulturzentrum Gasteig stattfinden zu lassen, scheiterten. Zur Begründung gab die Leitung des Gasteigs an: "Ihre Preisträgerin Frau Bernstein steht zumindest in der Funktion als Verantwortliche - das bin ich nicht, ich bin die jüdische Sprecherin - der  Jüdisch-Palästinensische-Dialog-Gruppe auf der Unterstützerliste der BDS-Kampagne.

Die Dialoggruppe unterstützt diese gewaltlose palästinensische Initiative, weil sie die Kampagne für eine der wenigen wirkungsvollen Initiativen hält, nachdem die deutsche und die internationale Politik bei der Lösung des Nahostkonflikts völlig versagt haben. (Beifall). Das Kulturzentrum bezog sich bei seiner Absage auf den Beschluss des Stadtrates. Deswegen fand die Preisverleihung in fast letzter Minute in einem Kino statt. Eine Gruppe, die sich hochtrabend "Münchner Bürger gegen Antisemitismus und Israelhass" nennt, hatte sich durch den Beschluss des Stadtrates ermutigt gefühlt, den Besitzer des Filmtheaters aufzufordern, die Vermietung an die Humanistische Union rückgängig zu machen. "Organisieren sie Veranstaltungen mit der BDS, können sie ebenso die NPD unterstützen." An der Preisverleihung nahmen dann fast 350 Menschen teil. Eine politische Ohrfeige für die Antragsteller. Doch unsere Zeitungen blieben stumm.

Ende März 2013 haben wir den Film Broken von Mohammed Alatar aus Ramallah im Eine-Welt-Haus[14] gezeigt. Der Film beleuchtet die Hintergründe, warum der Internationale Gerichtshof (IGH) den Bau der Mauer auf palästinensischem Boden der Westbank für völkerrechtlich illegal hielt und beleuchtet die persönlichen Entscheidungsprozesse der Richter in Den Haag.[15] Auch diesmal wollte das Kulturreferat der Stadt auf Anweisung des Oberbürgermeisters die Vorführung untersagen, obwohl der Film mit BDS nichts zu tun hatte. Die Begründung für das Verbot lautete: Bei einer Gesamtschau der Veranstaltung ist davon auszugehen, dass bei lebensnaher Betrachtung die Diskussionsveranstaltung nicht ohne eine Befassung mit den Zielen und Themen der BDS-Kampagne auskommt, da insbesondere ein zentrales Ziel der BDS-Kampagne der Abriss der Mauer ist.[16] So etwas nenne ich vorauseilenden Gehorsam. Alatar wird in der nächsten Zeit in Deutschland sein um den Film zu zeigen.

Unser letzter Fall fand vor Kurzem statt. Trotz der Beiträge im SPIEGEL zur Lobbyarbeit Israels in Deutschland [17] beziehen sich sämtlich Politiker, Institutionen und Kirchengemeinden auf die Anti-BDS-Bundestagserklärung vom 17. Mai 2019,  obwohl die Bundesregierung den Beschluss nicht in ein Gesetz umsetzt. Dies wurde uns vom Bundeskanzleramt, Auswärtigem Amt und von Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion bestätigt. Deshalb haben wir einen der Journalisten, der an dieser Recherche beteiligt war, nach München eingeladen um über die Rolle israelischer Lobbyorganisationen in der deutschen Politik zu referieren. Auf Druck von Frau Knobloch hat uns der Caritas-Verband den Raum fristlos gekündigt und sogar ein Hausverbot erteilt. Auch hier musste eine einstweilige Verfügung her. Zu diesen Ereignissen wurden Leserbrief an die SZ versandt, die allerdings nie gedruckt wurden. Muss dazu sagen, heute gibt es zum ersten Mal in der Süddeutschen Zeitung kritische Leserbriefe. Zu ersten Mal. Deshalb schrieb ich an dem Chefredakteur, "mir ist bekannt, dass viele Leserbrief bei Ihnen eingegangen sind, bis heute sind sie nicht veröffentlicht worden. Ich halte dies für sehr bedenklich, wenn Leser und Betroffene nicht die Möglichkeit haben, voreingenommene Journalisten zu widersprechen, dann wird die Presse- und Meinungsfreiheit untergraben und die Öffentlichkeit manipuliert."

BDS soll also wegen ihres Boykottaufrufes bekämpft werden, in dem man mit Boykott droht. Durch den Kampf gegen die BDS-Kampagne soll jede kritische Auseinandersetzung mit der Politik Israels unterbunden werden. BDS kommt den Politikern sehr gelegen. Gäbe es diese Bewegung nicht, hätte man sie erfinden müssen. Sie dient als Ablenkungsmanöver (Beifall).

BDS hat den Diskurs in Deutschland verändert. BDS spricht nicht nur von Besatzung sondern von Apartheid. Damit wird ein anderes Bild von Israel gezeichnet, in dem die nicht-jüdischen Bürger einem anderen Rechtssystem unterliegen. Die Unterstützer Israels weigern sich ein reales Bild von Israel zu zeigen. Die Enteignung von palästinensischem Land für jüdische Siedlungen, die Inhaftierung von Palästinensern ohne Gerichtsverfahren oder Anklage, die kollektive Bestrafung von 2 Millionen Menschen im Gaza-Streifen unter Belagerung und die Ungleichheit zwischen jüdischen und arabischen Bürgern Israels. Darüber soll man in Deutschland nicht sprechen dürfen. Wenn BDS mit Antisemitismus gleichgesetzt wird, dann sind wohl Forderungen für die Rechte der Palästinenser antisemitisch. Solange in Deutschland nur über den vermeintlichen oder den tatsächlichen Antisemitismus diskutiert wird, nicht aber über die Annexion Jerusalems, der Westbank und des Jordantals, sowie die katastrophalen Verhältnisse im Gazastreifen, bleibt uns der Gang zum Gericht nicht erspart.

Wie einige vielleicht wissen hat mein Mann die Vorsitzende der DIG Stuttgart verklagt, nachdem sie behauptet hatte, er würde BDS unterstützen und somit sei er Antisemit. Er hat den Prozess gewonnen. Es ist ja immer das gleiche Schema. Man beschuldigt jemand BDS zu unterstützen oder sich nur mit BDS zu befassen, dann ist er Antisemit und man muss ihn mundtot  machen.

In einem zweiten Prozess haben wir Arye Sharuz Shalicar verklagt. „Direktor für Auswärtige Angelegenheiten im Ministerium für Nachrichtendienste im Büro des israelischen Ministerpräsidenten" vorstellt. Er arbeitet für den israelischen Außenminister. Shalicar wird immer wieder von der DIG zu Lesereisen eingeladen, die vom Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung Felix Klein gefördert werden. In diesen Tagen ist er in Berlin, Erfurth und Halle. Bischof Abromeit, hat er in einer unverschämten Art beleidigt. In seinem Buch, der neue deutsche Antisemit hat er mich als Alibi-Jüdin und meinen Mann als jemanden beschimpft "der tote Juden liebt und sie mit Stolpersteinen ehrt - dazu muss man wissen, in München gibts keine Stolpersteine , nur auf privaten Grund, weil Frau Knobloch dagegen ist - aber mit lebendigen Juden ein Problem hat, weshalb er eine Organisation unterstützt, die zum Boykott lebendiger Juden und jenen, die mit ihnen in Frieden leben, aufruft. Bernstein will wie die Münchner Elite sein und tut alles um wie sie gekleidet zu sein, zu sprechen und sich zu benehmen."  Hermann Göring lässt grüßen.

 

Weder ist mein Mann Jude noch unterstützt er BDS. Andere Gruppen, wie zum Beispiel das Aktionsforum Israel übernehmen diese Verleumdungen. Auf ihrer Facebook-Seite schrieben sie vor Kurzem: Das Paar Bernstein propagiert in Vorträgen Terror gegen Juden. Wenn sich Vertreter der israelischen Regierung derart unverschämt über Deutsche äußern die seit Jahrzehnten an einer konstruktiven Lösung in Nahost arbeiten, dann muss man sich hierzulande fragen, weshalb sie seitens der deutschen Regierung hofiert und unterstützt werden. In der Auseinandersetzung mit dem Iran besitzt Shalicar die Frechheit Franz Walter Steinmeier, Angela Merkel und Heiko Maas anzugreifen.

In meinem Schreiben an die Antisemitismusbeauftragte in Nordrheinwestfalen Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die wir persönlich kennen, habe ich sie gefragt, was für ein öffentlicher Aufschrei wäre hier zu erwarten, wenn eine Vorlage, wie jene des israelischen Nationalstaatsgesetz für das jüdische Volk vom Juli 2018 eingebracht würde, wonach Deutschland nur den deutschen Christen gehöre. Wie würde die deutsche Reaktion ausfallen, wenn sich in Berlin und in den Bundesländern Minister und Abgeordnete weigern würden mit Juden zusammen zu arbeiten? Wir müssen unseren Politikern klar machen, dass sie mit ihrer Politik bei der Bevölkerung ihre Glaubwürdigkeit verlieren.

Es ist kein Wunder, dass sich Premierminister Netanyahu an 17. Mai 2019 beim Bundestag bedankt hat. Dieser Beschluss, sowie die bisherige Politik vor allem der Bundesregierung haben dazu geführt, dass Israel das Gefühl der Narrenfreiheit hat. Es muss unseren Politikern klar sein, dass sie mit ihrer falsch verstandenen Solidarität zu Komplizen eines ungerechten Regimes geworden sind. Wollen sie das wirklich? Glauben sie, dass sie das historische Unrecht an den Juden mit einem neuen Unrecht an den Palästinensern wieder gut machen können? Ich glaube, dass es bei diesem Konflikt allmählich um den Abbau unserer eigenen Demokratie geht. Der Kampf gegen uns ist ein Teil des Rechtsrucks hierzulande. Heute sind es Themen wie die Geflüchteten in Iran und oder Palästina. Morgen können das die Obdachlosen und Behinderten sein und übermorgen sind wir dran. Ich möchte aber betonen, dass weder die Dialoggruppe noch mein Mann und ich uns als Opfer sehen. Opfer sind die Palästinenser und die linken Israelis die dort leben. Wir kämpfen für Gerechtigkeit und werden uns auch in Zukunft für die Rechte der Palästinenser und eine friedliche Lösung einsetzen.

vielen Dank

 

Matthias Jochheim

Danke für den engagierten Beitrag der aus dem lebendigen Engagement heraus kommt (????). Unsere Veranstaltung hat ja auch den Sinn sich nicht nur mit spezifischen Problemen zu beschäftigen, sondern mit dem Symptomatischen daran. Das Symptomatische, würde ich sagen, ist z.B. in der Presse eine objektive und umfassende Darstellung der Probleme zu erreichen. Das ist eine riesen Arbeit, eine große Mühe. In München, die Süddeutsche Zeitung, die man eigentlich immer als ein liberales Blatt geschätzt hat, ist da offenbar schon ziemlich hartleibig geworden tatsächlich ein umfassendes Bild zu schildern (unverständlich - Frage an Judith Bernstein).

Judith Bernstein:

 

Im Politischen Teil - ich hab selber Frau Föderl-Schmid [18] kennen gelernt - die schreibt alles, es wird irgendwie nicht wahrgenommen.[19]

Matthias Jochheim

 

Als nächstes möchten wir jetzt nach der Sichtweise einer engagierten jüdischen Friedensengagierten würden wir jetzt gerne Khalid Hamad hören, von der palästinensischen Seite, der in der KOPI (Deutscher Koordinierungskreis Palästina Israel) mitarbeitet, die übergreifenden Anspruch hat, sich mit der Problematik in Nahost zu beschäftigen. Er ist außerdem der Vorsitzende der palästinensischen Gemeinde in Deutschland. Er hat zentrale Funktionen in verschiedenen zivilgesellschaftlichen, palästinensischen Organisationen in Deutschland.

 

Referat Dr. Khalid Hamad

 

Schönen Abend erst Mal. Ich versuche jetzt natürlich nach dem ????, versuche ich so kurz wie es geht darüber zu sprechen. Erst Mal möchte ich mich bedanken bei der IPPNW [20] für die Veranstaltung und für die ???digkeit, dass die Veranstaltung stattfindet in diesem Rahmen und so wie vorgeplant. (Beifall). Vielen Dank. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde. In den letzten Jahren ist die Initiative der pro-israelischen Lobby stärker geworden. Durch ihren Druck und manchmal Repressalien wurde versucht mehr als 200 Veranstaltungen zu verhindern, angeblich viel mehr.

Ich stelle die Frage, ist das ein deutsches Phänomen? Ich antworte ohne zu zögern nein! In mehreren europäischen Ländern wird das Gleiche versucht. Beispiel: Im Dezember 2017 hatten wir die vierte Konferenz der europäischen Allianz für die Solidarität mit den palästinensischen Gefangenen in Den Haag organisiert. Die Reservierung im Hotel wurde drei Tage vor der Konferenz storniert, weil man keine Probleme haben wollte. So wurde uns gesagt. Ein Mitarbeiter erzählte, dass jemand alle finanziellen Verluste an dem Hotel bezahlt hat. Wir sahen, dort wurde viermal zurückgezogen. Die vier Personen, die zu dieser Konferenz eingeladen haben, wurden antisemitisch und als Sympatisanten der Terroristen bezeichnet. Es waren Felicia Langer, Prof. Norman Peach, Annette Groth und ich. Es fehlte nicht an Zeitungen, Radio oder sogar Fernsehen in Holland, die sowas verbreitet haben oder zum Glück, zum kleineren Teil, uns verteidigten.

Ich denke die Initiative der pro-israelischen Lobby in Europa ist kein Zufall. Jetzt, 70 Jahre nach der Gründung Israels, ist ganz Palästina unter israelischer Kontrolle. Auch Gaza kann praktisch ohne Israel nichts unternehmen. Sieben Millionen Flüchtlinge verteilt in Libanon, Jordanien, Syrien und Zypern?. 6,5 Millionen leben immer noch in Palästina. Die Situation ist, Jerusalem und Golanhöhen wurden annektiert. Rufe nach der Annexion weiterer Gebiete werden immer häufiger. Das ist die Situation, die jeder kennt.

Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es überhaupt. Lösungsmöglichkeiten des Palästinaproblems als Alternative für die jetzige Lage des Status quo, Israels Lieblingslage sind drei Möglichkeiten.

Zweistaatenlösung. Die PLO hat das Programm angenommen. Das Programm sieht vor das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser in einem palästinensischen Staat neben Israel auf den von Israel 1967 besetzten Gebieten, einschließlich Ostjerusalem als Hauptstadt, Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge in ihre Häuser, wie der UNO-Beschluss 194 von 1948 vorsah. Diese Zweistaatenlösung hat weiterhin internationale Unterstützung, auch wenn nur wörtlich.

Einstaatenlösung auf ganz Palästina. Alle Bürger haben die gleichen Rechte und Pflichten. Diese Lösung wird aus demografischen und ideologischen Gründen von Israel nie akzeptiert. Die Gesetzeslage muss total geändert werden, um die Gleichberechtigung zu ermöglichen. Für die Palästinenser wäre es wichtig, die Siedlungen auf der Westbank und in Jerusalem aufzulösen. Ein Verzicht auf das Rückkehrrecht der Palästinenser käme auch nicht in Frage.

Eine Staatslösung als jüdischer Staat, diese Lösung wird von der jetzigen Netanyahu-Regierung vorangetrieben. Die jüdische Bevölkerung genießt alle Rechte, die Palästinenser werden als Gäste im eigenen Land behandelt. Diese Lösung wird massiv von der Trump-Regierung unterstützt. Deswegen hatte Trump die Botschaft nach Jerusalem verlegt. Die Siedlungen sollten als legal bezeichnet und das Rückkehrrecht der Flüchtlinge aberkannt werden.

Auch der Beschluss vom Deutschen Bundestag vom 17.5.2019 geht leider in diese Richtung. Bis ca. 2000 war Ziel der israelischen Regierung die abgespeckte Form der Zweistaatenlösung. Die amerikanische Politik war auch in dieser Richtung, Road Map usw. [21] Für diese Lösung brauchten sie einen palästinensischen Partner mit allen Konsequenzen - gute und schlechte. Ich meine, dass die israelische Regierung sich von der Zweistaatenlösung schon lange ganz verabschiedet hat und das Ziel einer jüdischen Einstaatenlösung verfolgt. Das Nationalgesetz wurde ja verabschiedet. Für diese Lösung braucht die israelische Regierung keinen palästinensischen politischen Partner. Das erklärt die aggressiven Maßnahmen der Besatzungsarmee. 7000 Gefangene, Zerstörung der Häuser, Entwurzelung der Bäume usw. Außerdem werden die Menschenrechtsorganisationen in Israel und deren Mitarbeiter gezielt angegriffen, wie ??? und Amnesty International. Auf internationaler Ebene kommen die Aktionen, die wir in Deutschland und Europa kennen, als logische Folge. Der Druck auf Medien und Politik, der Organisierung der proisraelischen Lobby und Unterstützung mit Geld und Infrastruktur wurde ja von Journalisten beschrieben.  Es wird versucht jede Kritik an der israelischen Politik zu verbieten. Zum Schluss denke ich, dass wir eine Chance haben dagegen zu wirken, denn das deutsche Gesetz ist auf unserer Seite. Meinungsfreiheit gilt für alle. Das haben wir heute auch gesehen. Also es ist nicht alles negativ. Wir sollten uns nicht in den Hinterhöfen verstecken. Wir können auf der Straße Kundgebungen durch führen , das Gesetz verbietet uns das nicht. Ich schließe mit der Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Palästinaproblems und hoffe auch auf friedlichen Zusammenleben der Menschen in Palästina, gleichberechtigt, egal welche Religion oder Nationalität sie haben. Vielen Dank.

 

 


[1] NGO = Non-Goverment-Organisation = Nichtregierunsorganisation

[2] Im April 2017 wurde das „Lex CEU“ genannte Gesetz verabschiedet, das die Existenz der Universität in Budapest gefährdet

[3] Transparence International bekämpft Korruption weltweit

[4] Die Genannten Politiker äußerten sich i.S. einer Befürwortung der Aberkennung der Gemeinnützigkeit der DUH

[5] Micha Brumlik war im Sozialistischen Büro, eine Organisation der neuen, nach 1968 entstandenen Linken.

[6] Jüdisch-Palästinensische-Dialog-Gruppe, deren jüdische Sprecherin Judith Bernstein ist.

[7] Dr. Reiner Bernstein ist Publizist und Vertreter der Genfer Initiative in Deutschland (https://de.wikipedia.org/wiki/Genfer_Initiative)

[8] Deutsch Israelische Gesellschaft

[9] Janus-Korczak-Akademie (EJKA) ist eine jüdische Bildungseinrichtung

[10]  Christoph Glanz ist BDS-Aktivist in Oldenburg

[11] Frau Bernstein gehörte zu den Organisatorinnen und war von der SZ vermutlich gemeint

[12] Eine liberale israelische Zeitung

[13] 2017

[14] Ein Kulturzentrum in München

[15] https://www.ezef.de/veranstaltungen/broken-mit-regisseur-mohammed-alatar/3710

[16] Die Mauer wird auch von der Deutsche Bundesregierung (https://de.wikipedia.org/wiki/Israelische_Sperranlagen_(Westjordanland)), der EU-Kommission und der UNO (durch den IGH)  ablehnt bzw. es wird ihre Beseitigung gefordert (http://www.spiegel.de/politik/ausland/uno-gerichtsurteil-israel-soll-die-mauer-wieder-einreissen-a-307938.html).    

[17] Es geht um den Artikel: "Gezielte Kampagne" - Lobbyismus. Ein deutschjüdischer und ein proisraelischer Verein haben im Bundestag ein enges Netz gespannt - mit fragwürdigen Methoden. Es geht um eine andere Nahostpolitik; DER SPIEGEL, Nr. 29, 13.7.2019

[18] Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung in Israel

[19] Es geht darum, dass die Lokalredakteure, die über Veranstaltungen in München berichten, nicht wahrnehmen, was die Nahostkorrepondenten der SZ schreiben.

[20] International Physicians for the Prevention of Nuclear War =  Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges

[21] Friedensplan Road Map (Fahrplan) wurde 2002 vom sogenannten Nahost-Quartett (UNO, USA, EU und Russland) ausgearbeitet.

Offener Brief an Herrn Uwe Becker (Frankfurt) in seiner Funktion als Frankfurter Bürgermeister und Hessischer Antisemitismus-Beauftragter

Frankfurter Bürgerinnen und Bürger:

Elisabeth Abendroth, Renata Berlin, Herbert Kramm-Abendroth,

Renate Schnur-Herrmann, Helmut Suttor, Prof. Dorothee Roer, Dr. Ingo Roer

 

Offener Brief

an Herrn Uwe Becker (Frankfurt) in seiner Funktion als

Frankfurter Bürgermeister

und

Hessischer Antisemitismus-Beauftragter

 

Dezernat II - Finanzen, Beteiligungen und Kirchen

Römerberg 23

60311 Frankfurt am Main

E-Mail

DezernatII@stadt-frankfurt.de

 

Ihre Antisemitismus-Vorwürfe im Zusammenhang mit der Veranstaltung "Meinungsfreiheit statt Zensur" am 15.10.2019 im Titania-Theater in Frankfurt Bockenheim

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Becker,

wir haben an der o.g. Veranstaltung teilgenommen, die Sie schon vorab am 11.10.2019  als "Sympathisanten-Treffen antisemitischer Israelhasser" diffamiert haben. Sie nahmen an der Veranstaltung nicht teil. Insofern Sie die Vorwürfe danach  wiederholten, stützten Sie sich auf Mitteilungen des Stadtverordneten Kliehm (DIE LINKE), die dieser per Tweet während der Veranstaltung absetzte bzw. danach in den Medien verbreitete.

Wir haben zu dieser Veranstaltung ein Wortprotokoll erstellt (siehe Anhang). Dieses enthält alle Beiträge, mit Ausnahme der ersten 20 Minuten des Beitrags von Hartmut Bäumer. Da sich Ihre Vorwürfe, soweit sie Podiumsteilnehmer betrafen, ausschließlich gegen die Personen Judith Bernstein und Khalid Hamad richteten, ist das Wortprotokoll für die hier relevanten Fragen vollständig. Ein Link zu den Tonaufzeichnungen ist beigefügt. Der schriftliche Text kann also jederzeit überprüft werden.

Wir bitten Sie, gestützt auf diesen Text, Ihre Vorwürfe zu belegen. Wenn Sie dazu nicht in der Lage sind, müssen wir Sie auffordern die Vorwürfe zurück zu nehmen. Unabhängig davon erwarten wir eine Entschuldigung für Ihre Beleidigungen und Diffamierungen.

In diesem Zusammenhang möchten wir daran erinnern, was nach der IHRA-Arbeitsdefinition für Antisemitismus[1]  als Voraussetzung für ein belastbares Urteil zu Antisemitismus formuliert wurde: Es muss eine konkrete, des Antisemitismus verdächtige Aussage vorliegen. Dazu werden eine Reihe beispielhafter Aussagen aufgeführt, die sodann unter Berücksichtigung des jeweiligen Gesamtkontexts zu interpretieren sind.  Die formuliert IHRA-Definition formuliert im Grunde eine Banalität, die in einem von Vernunft und Respekt geleiteten öffentlichen Diskurs in einer Demokratie eine bare Selbstverständlichkeit sein sollte. Populisten und Demagogen, die einer postfaktischen Kultur huldigen, mögen das anders sehen.

Der Frankfurter BDS-Beschluss stützt sich, wie alle Antisemitismus-Beschlüsse mit BDS-Fokussierung , auf die IHRA-Definition. Es geht also um eine Begründung nach Regeln, die sich von selbst verstehen und die Sie mit der Zustimmung zur IHRA-Definition noch einmal bekräftigt haben.

Ihre Urteile zur Titania-Veranstaltung, es habe dort eine Dämonisierung bzw. Delegitimierung Israels stattgefunden, Israel sei als Apartheids-Staat diffamiert  worden usw. können allenfalls als Behauptungen über solche Äußerungen  antisemitischen Inhalts gewertet werden. Eine konkrete Äußerung, wie das die IHRA-Definition fordert, haben weder Sie noch Herr Kliehm auch nur einziges Mal angeführt.  Derartige Behauptungen sind nicht kontextualisierungsfähig. Keines der beiden Elemente der IHRA-Definition ist darin erfüllt.

 Sie haben sich unzweifelhaft als Amts- und Hoheitsträger geäußert.  Das gilt für Ihre Antwort auf die Anfrage des Stadtverordneten Kirchner [2] ebenso, wie für Ihre (inzwischen gelöschte) Erklärung auf der Internetseite der Stadt Frankfurt (Sympathisanten-Treffen antisemitischer Israelhasser).  In dieser Funktion gilt für Sie nicht die Meinungsfreiheit, wie für einfache Bürger. So wie Sie sich in der Öffentlichkeit als Amtsträger äußern, muss man vermuten, dass Ihnen die Rechtsprechung zur Äußerungsbefugnis vom Amts- und Hoheitsträgern[3] nicht geläufig ist - nach dreizehn Jahren als Dezernent und Stadtkämmerer in einer deutschen Großstadt. 

Sie äußern sich zu völkerrechtlichen wie der Fragen zur ethnischen Säuberung in Nahost ,[4]  kennen aber offensichtlich den Rechtsrahmen nicht, der für eine gesetzeskonforme  Ausführung Ihrer Ämter grundlegend ist.

Auch für Sie gelten bestimmte Grundsätze wenn Sie sich in amtlicher Funktion öffentlich äußern, beispielsweise das Sachlichkeitsprinzip, das vom Bundesverwaltungsgericht u.a. so definiert wird, dass amtliche Äußerungen "nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen dürfen, d.h. bei verständiger Beurteilung auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen müssen, und zudem den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten dürfen". [5]

Sie äußerten über Frau Bernstein am 7.11.2019  auf die Frage des StV Kirchner in der StVV, sie würde  "in Deutschland Land auf und Land ab touren und nichts anderes machen, als israelbezogenen Antisemitismus verbreiten" [6]

Sie waren nach der Titania-Veranstaltung noch nicht einmal in der Lage zu sagen, was Frau Bernstein in Frankfurt gesagt hat. Woher wollen Sie wissen, was sie in Deutschland verbreitet? Ihre Äußerung ist nicht nur für jeden erwachsenen Menschen als offensichtlich unwahre Behauptung erkennbar, sie ist  darüber hinaus nichts anderes als primitive Hetze gegen ein Deutsche jüdischer Herkunft, die Angehörige im Holocaust verloren hat. [7]

So wie Sie sich hier und überhaupt in diesem Kontext äußerten, konnten Sie gar nicht in die Verlegenheit kommen, einen Tatsachenkern "sachgerecht und vertretbar" würdigen zu müssen, weil Sie, wenn es um Antisemitismus geht, weitgehend ohne Tatsachenkern auskommen.

Im Streitgespräch mit Micha Brumlik am 5.12.2019 im Club Voltaire[8] äußerten Sie "Ich habe an keiner Stelle gesagt, dass Frau Bernstein antisemitisch ist". Sie haben Frau Bernstein als Antisemitin beschrieben ohne sie explizit als solche zu bezeichnen. Sie geben vor die AFD zu bekämpfen, machen aber von deren Methode der diffamierender Insinuationen Gebrauch.

In seiner Analyse zu "Methoden und Strategien" am "Rechten Rand" beschreibt der Politikwissenschaftler Thomas Meyer das Stilmittel der Insinuation so:

„Insinuation wird gehandhabt als die starke und letztendlich eindeutige Andeutung des Gemeinten, die nichts offen läßt, ohne aber das Gemeinte zitierbar eindeutig zu sagen. Die Methode der Insinuation beruht auf dem Prinzip, etwas in der Sache zu behaupten, ohne es in der Form beweiskräftig behauptet zu haben. Die Eingeweihten wissen, was gesagt werden soll. Gegen jeden Außenstehenden kann das Gemeinte mit Verweis auf den nackten Wortlaut, wo es angebracht erscheint, bestritten werden.“ [9]

Sie haben die Betreiber des Club Voltaire aufgefordert zur Einsicht zu kommen und sich zu entschuldigen, es sei eine Rote Linie überschritten worden. Wir geben Ihnen hiermit die Gelegenheit, dies zu begründen - faktenbasiert.  Sie haben diese Aufforderung an den Club Voltaire nämlich zu keinem Zeitpunkt mit geeigneten, allgemein akzeptierten Argumenten begründet und durch Fakten belegt.

Ihrer Antwort sehen wir mit Interesse entgegen.

Mit freundlichen Grüßen

Helmut Suttor - auch im Namen der genannten Frankfurter Bürgerinnen und Bürger

Laubestr 6

60594 Frankfurt

[1] https://www.holocaustremembrance.com/working-definition-antisemitism

[2] Frage/Antwort Kirchner/Becker https://www.stvv.frankfurt.de/PARLISLINK/DDW?JAHR=2010&JAHR_O=gr%F6%DFer+gleich&DATUM=31.12.2019&DATUM_O=kleiner+gleich&TEXT=BDS&TEXT_O=beinhaltet+%28ungef%26%2365533%3Bhr%29&FORM_C=und&DOKUMENTTYP=WORT&FORMFL_OB=DATUM&FORM_SO=Absteigend&?2?1?#BWHR2

[3] https://www.bundestag.de/resource/blob/556768/776c7bb3e6cd1fd9ed85e539cca79b59/wd-3-074-18-pdf-data.pdf

[4] https://www.journal-frankfurt.de/journal_news/Politik-10/Uwe-Becker-kritisiert-Amnesty-International-Meron-Mendel-Beckers-Reaktion-ist-ueberzogen-33493.html

[5]  https://www.bverwg.de/111110B7B54.10.0

[6] Frage / s. FN 2

[7] https://www.jrbernstein.de/blog-1/2020/1/28/im-gedenken-an-meine-groeltern

[8] Becker im Streitgespräch mit Micha Brumlik am 5.12.2019 im Club Voltaire, https://www.youtube.com/watch?v=tB7iW27vuew&feature=youtu.be, Minute 35 ff

[9] Vgl. Thomas Meyer, Methoden und Strategien. Insinuation als Stilmittel, in: Friedrich-Ebert-Stiftung /Akademie der Politischen Bildung (Hrsg.), Am rechten Rand, Analysen und Informationen für die politische Bildung, Bonn 1995, S. 18.

 

Antrag auf Akteneinsicht zum Thema: Rechtliche Umsetzung des BDS-Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung vom 28.9.2017

Frankfurter Bürgerinnen und Bürger:

Elisabeth Abendroth, Renata Berlin, Herbert Kramm-Abendroth,

Renate Schnur-Herrmann, Helmut Suttor, Prof. Dorothee Roer, Dr. Ingo Roer

 

Dezernat II - Finanzen, Beteiligungen und Kirchen

Römerberg 23

60311 Frankfurt am Main

Telefon +49 69 212 33104

Fax +49 69 212 30707

E-Mail

DezernatII@stadt-frankfurt.de

 

Antrag auf Akteneinsicht zum Thema:

Rechtliche Umsetzung des BDS-Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung vom 28.9.2017

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

wir beantragen hiermit Akteneinsicht zu rechtlichen Stellungnahmen des Rechtsamts der Stadt Frankfurt, ggf. auch anderer städtischer Ämter bzw. externer Berater zum BDS-Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 28.9.2017

 

Antisemitismus keinen Raum geben - BDS aktiv entgegentreten.

 

Begründung:

 

Der Beschluss wurde nach Debatte in der StVV am 28.9.2019 gefasst  mit der "Maßgabe (...) dass der Magistrat der Stadt Frankfurt am Main prüft und berichtet, ob und wie die Inhalte der Vorlage umzusetzen sein könnten, und berichtet, wie die Umsetzung der unter Ziffern eins bis vier genannten Maßnahmen im jeweiligen Berichtszeitraum erfolgt ist."[1]

 

Die Maßgabe zur Umsetzung beinhaltet einen organisatorischen und rechtlichen Aspekt. Zur organisatorischen Umsetzung liegt ein Bericht des Magistrats vom 5.3.2018 vor.[2] Ein Bericht zur Klärung der offenen rechtlichen Fragen fehlt. Dies, obwohl der Klärungsbedarf zu offenen Rechtsfragen von verschiedenen StV in der Debatte angemahnt wurde.

Im zeitlicher Nähe zur Beschlussfassung versicherte Bürgermeister Uwe Becker lt. Frankfurter Rundschau vom 29.9.2019,[3] der Beschluss sei „vom Rechtsamt der Stadt abgeklärt worden“ und deshalb „rechtlich und handwerklich in Ordnung“.

Der gesamte Sachverhalt legt nahe, dass es zum Zeitpunkt der Abstimmung allenfalls eine auf das Rechtsamt gestützte Zusicherung Uwe Beckers an die StV gegeben hat, die offenen Fragen seien geklärt. Eine für die Öffentlichkeit oder auch nur für die StVV nachvollziehbare Klärung hatte offensichtlich nicht stattgefunden.

Aus den Reihen der StVV ist die Anfrage von Dr. Uwe Schulz (FDP)[4]

Anfrage der FDP-Fraktion:

Rechtliche Umsetzung des BDS-Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung

nach über zwei Jahren die erste Initiative mit dem Ziel den Magistrat zu veranlassen, sich zur Klärung offener Rechtsfragen zu äußern. Niemand sonst hat hier nachgehakt, auch jene StV nicht, die in der Debatte Klärungsbedarf anmahnten.

Desgleichen haben Medien weder nach der Einlösung des rechtlichen Aspekts der Maßgabe der Frankfurter StVV gefragt, noch die rechtlichen Probleme der BDS-Beschlüsse in Frankfurt und Deutschland thematisiert.   

Angesichts der offensichtlichen (Grund)gesetzwidrigkeit des BDS-Beschlusses steht im Hinblick auf die oben zitierte Aussage des Herrn Becker der Verdacht im Raum, dass er entweder nicht die Wahrheit gesagt hat oder, dass vom Rechtsamt ein Gefälligkeitsgutachten erstellt wurde, das der Öffentlichkeit vorenthalten werden soll.

Die übliche Dreimonatsfrist zur Beantwortung der Fragen von Dr. Schulz ist am 5.3.2020 abgelaufen. Der Magistrat / Uwe Becker haben um eine Verlängerung gebeten. Warum eigentlich, wenn das städtische Rechtsamt die offenen Rechtsfragen schon im September 2017 abklärte und den Beschluss als  rechtlich und handwerklich in Ordnung befand?

Die hier relevanten verfassungsrechtlichen Fragen sind in der Rechtsprechung geklärt. Dies wird nicht zuletzt durch Verwaltungsgerichtsurteile zu Raumverboten mit BDS-Bezug (s. Anhang 1) bestätigt.

Diese Urteile besagen u.a. dreierlei:

Þ     Die BDS-Beschlüsse sind politische Resolutionen oder Willenserklärungen aber keine Gesetze und deswegen vor deutschen Gerichten nicht entscheidungsrelevant, sie dürfen deswegen rechtlich auch nicht handlungsrelevant für Kommunalverwaltungen sein (vgl. Frage 3 / Anfrage Schulz - VG Köln S.5);

Þ     BDS als zivilgesellschaftliche Bewegung ist organisatorisch zu heterogen, als dass pauschal aus Unterstützung oder Mitgliedschaft rechtlich relevante Schlussfolgerungen bezogen auf einzelne Personen oder Gruppen ableiten könnte - insofern wird implizit Einzelfallprüfung angemahnt (OVG Lüneburg Rn 8);

Þ     nach den allgemeinen Beweisregeln haben die Städte den Beweis zu führen, dass Antisemitismus vorliegt (vgl. Frage 6 / Anfrage Schulz - OVG Lüneburg Rn 7).  

Die bisher bekannte Verwaltungspraxis in Frankfurt, wie sie durch den Magistrat unter Federführung von Bürgermeister Becker gehandhabt wird, widerspricht allen drei genannten Punkten.

BDS-Beschlüsse auf kommunaler Ebene sind Verwaltungsakte in der Form einer generellen Widmungsbeschränkung[5] mit dem Ziel BDS-Mitglieder oder Unterstützer von der städtischen Raumvermietung auszuschließen. Als Verwaltungsakte gehören sie zur Kategorie der Eingriffsverwaltung, weil sie in Grundrechte eingreifen.

Der Frankfurter BDS-Beschluss, wie diese Beschlüsse ganz allgemein, beinhalten folgende (Grund)rechtskonflikte:

Þ     Auf kommunaler Ebene handelt es sich bei diesen Beschlüssen um Verwaltungsakte der Kategorie "Eingriffsverwaltung", d.h. sie greifen in Grundrechte ein.[6] Dafür ist die Gesetzesform vorgeschrieben. In der Frankfurter Verwaltungspraxis besteht, wie andernorts auch,  dennoch die Tendenz den Beschluss wie ein Gesetz zu behandeln.

Þ     Meinungsfreiheit Art. 5 GG und der Gleichheitsgrundsatz Art. 3 GG: Nach dem Recht sind alle Personen und Gruppen der jeweiligen Kommune gleich zu behandeln, solange sie sich nicht in Widerspruch zur Freiheitlich Demokratische Grundordnung stellen. Die Beweislast hat jeweils die Kommune.

Þ     Die BDS-Beschlüsse stellen eine massive Verletzung des sog. Demokratiegebots dar. Dieses wird abgeleitet aus Art 20 Abs. 2 GG (Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus). Es besagt, dass der Staat und staatliche Amtsträger in amtlich-staatlicher Funktion nicht regelnd und lenkend in die Willensbildung der Gesellschaft eingreifen dürfen. Die Willensbildung "von unten nach oben" muss gewährleistet und frei von staatlicher Einmischung bleiben. Die BDS-Beschlüsse sind das gerade Gegenteil. Sie laufen auf eine Umkehrung des Demokratiegebots hinaus. Nicht nur in Frankfurt greifen Stadtverwaltungen einseitig,  "von oben nach unten", regelnd und lenkend in die örtlichen Antisemitismus- und Nahostdebatten ein. Nicht erst ein Raumverbot ist ein solcher Eingriff. Schon die BDS-Beschlüsse als öffentliche Erklärung widersprechen dem Demokratiegebot als staatlicher Eingriff in eine Debatte, die auf beiden Seiten von Bürger*innen mit und ohne jüdischen Hintergrund bestritten wird.

Þ     Insbesondere für Frankfurt gilt: Bürgermeister und Antisemitismus-Beauftragter Becker verletzt fortgesetzt die Rechtsgrundsätze,  die für die Äußerungsbefugnis für Amts- und Hoheitsträger definiert sind. Er hält sich noch nicht einmal an die Regeln, die mit den BDS-Beschlüssen festgelegt wurden. Diesen liegt die IHRA-Arbeitsdefinition für Antisemitismus zu Grunde, wonach Antisemitismus-Vorwürfe zu begründen sind, durch konkrete Aussagen und deren Kontextualisierung.

Zusammenfassend ist festzustellen:

Zum BDS-Beschluss Frankfurt haben alle demokratischen Kontrollinstanzen in Stadt-Parlament, Parteien und Medien-Öffentlichkeit versagt. Die StVV stellte keine Fragen, obwohl die Kollision des Beschluss mit einer ganzen Reihe von Grundrechten auf der Hand lag. Die Medien zeigten ebenso wenig ein auch nur elementares Problem- und Grundrechtsbewusstsein.

Deswegen fordern wir als Bürger Akteneinsicht. Abgesehen von unserem persönlichen Interesse an rechtsstaatlichen Verhältnissen in unserer Stadt besteht daran vor dem Hintergrund der geschilderten Sachverhalte ein massives öffentliches Interesse.

Mit freundlichen Grüßen

Helmut Suttor - auch im Namen der genannten Frankfurter Bürgerinnen und Bürger

Laubestr 6

60594 Frankfurt

 

 

Anhang 1:

Verwaltungsgerichtsurteile mit BDS-Bezug

1.      BDS-Gruppe Oldenburg vs. Stadt Oldenburg:

a.       VG Oldenburg (Oldenburg) 3. Kammer, Urteil vom 27.09.2018, 3 A 3012/16,

http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=MWRE190000178&psml=bsndprod.psml&max=true

b.       OVG Lüneburg 10. Senat, Beschluss vom 27.03.2019, 10 ME 48/19, http://www.dbovg.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml;jsessionid=87F376A6DAAE102C3165B88164382015.jp12?doc.id=MWRE190001146&st=null&doctyp=juris-r&showdoccase=1&paramfromHL=true#focuspoint

2.       Palästinensische Gemeinde Deutschland vs. Stadt Bonn:

VerwaItungsgericht Köln BeschIuss 14 L 1747/19

 

 


[1] W o r t p r o t o k o l l  über die 17. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, dem 28. September 2017 (16.01 Uhr bis 23.50 Uhr) https://www.stvv.frankfurt.de/PARLISLINK/DDW?TEXT=BDS&TEXT_O=beinhaltet%20(und)&DATUM_2=01.01.2017&DATUM_BIS_O=kleiner+gleich&DATUM=31.12.2017&DATUM_O=gr%F6%DFer+gleich&DOKUMENTTYP=TAGO%27,%27NIED%27,%27FRAG%27,%27WORT%27,%27BESC%27,%27VORL&FORMFL_OB=DATUM&FORM_SO=Absteigend&?12?5?

[2] Bericht des Magistrats vom 05.03.2018, B 68 https://www.stvv.frankfurt.de/PARLISLINK/DDW?TEXT=BDS&TEXT_O=beinhaltet%20(und)&DATUM_2=01.01.2017&DATUM_BIS_O=kleiner+gleich&DATUM=31.12.2018&DATUM_O=gr%F6%DFer+gleich&DOKUMENTTYP=TAGO%27,%27NIED%27,%27FRAG%27,%27WORT%27,%27BESC%27,%27VORL&FORMFL_OB=DATUM&FORM_SO=Absteigend&?19?5?

[3] https://www.fr.de/frankfurt/spd-org26325/frankfurt-schwaecht-aktion-gegen-11030455.html

[4] https://www.stvv.frankfurt.de/download/A_602_2019.pdf

[5] Eine Widmung definiert den Nutzungsrahmen einer Einrichtung, sie ist i.d.R. der Satzung zu entnehmen.

[6] https://iurratio.de/journal/staatsorganisationsrecht-das-rechtsstaatsprinzip/

Die Lehre aus der Geschichte kann doch nicht sein, dass Auschwitz als Freibrief für Menschenrechtsverletzungen herhalten soll, weder in Deutschland noch in Israel 

Leserbrief von Judith Bernstein zu „Jeder vierte Deutsche denkt antisemitisch“ in SZ 24.10.2019, S. 1: - V 14.11.19

Der Antisemitismus ist so alt wie Menschengedenken. Selbstverständlich muss man ihn – wie jede Form des Rassismus und Fremdenfeindlichkeit – bekämpfen. Wir müssen uns alle gegen die Angriffe auf Juden und andere Minderheiten wehren, denn sie bedrohen unsere Demokratie. 

Ich lebe seit 43 Jahren in Deutschland und habe persönlich nie Antisemitismus erfahren. Meine Mutter, die 1935 von Deutschland nach Palästina fliehen musste und deren Eltern in Auschwitz ermordet wurden, besuchte mich Ende der 1970er Jahre. Die vielen Zeitungsartikel, Radio- und Fernsehsendungen zum Thema Holocaust haben sie damals zu der Frage veranlasst: „Wann werden die jungen Deutschen von der Geschichte über den Holocaust genug haben?“. Heute frage auch ich mich, welche Lehren aus Auschwitz gezogen worden sind, wenn Juden, Muslime und Geflüchteten auf offener Straße angegriffen werden. 

Als mein Mann und ich vor mehr als zehn Jahren im Auswärtigen Amt Gespräche führten, wurden wir mit dem Satz empfangen, man mache sich große Sorgen um den wachsenden Antisemitismus, und zwar ausgehend von der israelischen Politik. Unsere Antwort darauf lautete: Sorgen Sie dafür, dass die Bundesregierung auch für die Rechte der Palästinenser eintritt. Mittlerweile ist es so weit gekommen, dass jede Kritik an der israelischen Politik in den Verdacht des Antisemitismus gerät. Damit wird der tatsächliche Antisemitismus verharmlost. Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses Ronald Lauder hat sich vor nicht allzu langer Zeit unter Berufung auf Gott (!) vor die israelischen Politik gestellt. 

Ist es Zufall, dass ich aufgrund meiner Kritik an der israelischen Regierung von interessierter jüdischer Seite und ihren nichtjüdischen Trabanten als selbsthassende Jüdin diffamiert werden soll mit dem Ergebnis, dass ich gemäß einem Münchner Stadtratsbeschluss nicht über meine Geburtsstadt Jerusalem in kommunalen Räumen berichten darf? 

Das Judentum ist so vielfältig wie jede andere Religion – warum wird das öffentlich nicht wahrgenommen? Warum wird nur von den Repräsentanten der Gemeinden berichtet, nicht aber von denen, die sich von der Mehrheit der deutschen Bevölkerung nicht unterscheiden? Sind die vielen vor allem jungen Israelis keine Juden, wenn sie ihrem Staat den Rücken kehren und sich in Berlin niederlassen? 

Es gibt kein Volk, das sich in der Politik, in den Medien, in Bildungseinrichtungen und in der Wissenschaft so ausführlich mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt hat wie das deutsche, und doch erleben wir, dass Antisemitismusbeauftragte als Alibi berufen werden. Die Lehre aus der Geschichte kann doch nicht sein, dass Auschwitz als Freibrief für Menschenrechtsverletzungen herhalten soll, weder in Deutschland noch in Israel.

Brief an Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Beauftragte gegen Antisemitismus der Landesregierung Nordrhein-Westfalen

München, 28.09.2019

Sehr geehrte Frau Leutheusser-Schnarrenberger,

durch den Tod unseres Freundes Rainer Sobek ist unser gemeinsames Treffen leider nicht zustande gekommen. Deshalb will ich Ihnen schreiben.

Ich erinnere mich sehr gern an die ausgezeichnete Diskussion mit Ihnen und meinem Mann in der Politischen Akademie in Tutzing vor einigen Jahren. Auch ist mir unser Treffen beim damaligen deutschen Botschafter in Tel Aviv, Herrn Andreas Michaelis, in Erinnerung geblieben. Sie waren gerade von Gesprächen mit Ihrer Amtskollegin Tsipi Livni aus Jerusalem zurück. Als wir am nächsten Tag bei einer Führung in Ost-Jerusalem beisammen waren, zeigten Sie sich über das Gesehene so entsetzt, dass Sie mich beiseite nahmen und meinten, das alles dürfe nicht wahr sein.

Heute bekleiden Sie das Amt der Beauftragten gegen Antisemitismus der Landesregierung Nordrhein-Westfalen. Es ist gut und wichtig, dass Sie sich gegen Antisemitismus einsetzen. Auch wir tun es (ich würde mich als gebürtige Israelin ins eigene Fleisch schneiden, wenn ich es nicht täte). Allerdings treten mein Mann und ich gegen jede Form von Rassismus auf. So wichtig es ist, dass Angriffe auf Juden öffentlich verurteilt werden, gibt es eine zweite Gefahr: Angriffe gegen die größte Minderheit in Deutschland, die Muslime. Ich frage, wieso es keine Beauftragung gegen Islamophobie gibt.

Seit einiger Zeit wird hierzulande jede Kritik an der israelischen Politik als Antisemitismus diffamiert, vor allem seit dem Bundestagsbeschluss vom 17. Mai gegen BDS. Mein Mann ist genötigt, gegen einen Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes in Jerusalem juristisch vorzugehen, der ihn in seinem in Leipzig erschienenen Buch „Der neu-deutsche Antisemit“ beschuldigt hat, er würde tote Juden lieben, denn anders sei die von ihm und mir aufgebaute Bürgerinitiative Stolpersteine für München nicht zu erklären.

Durch die Veröffentlichung der beiden „Spiegel“-Artikel im Juli, das Interview mit Jürgen Trittin in der „taz“ und die nachfolgende Unruhe in der Bundestagsfraktion der Grünen wissen wir, wie diese Erklärung, der die Rechtsverbindlichkeit fehlt, zustande kam. Glaubt jemand, dass man den Antisemitismus dadurch bekämpfen kann, indem man die schändliche Politik der israelischen Regierung in den 1967 besetzten Gebieten ignoriert? Wir nehmen das ganz anderes wahr: Da sich die Bundesregierung regelmäßig nur „besorgt“ zeigt, schürt sie anti-jüdischen Ressentiments, die auch mich als Jüdin und meine Kinder treffen. Gestern sind wir informiert worden, dass ein „Aktionsforum Israel“ verkündet hat: „Das Paar Bernstein propagiert in Vorträgen Terror gegen Juden.“

Mich beschäftigt die Frage, für welches Israel wir alle eintreten – für das von Benjamin Netanyahu oder für das der israelischen Intellektuellen, die gegen den Bundestagsbeschluss protestiert haben? Als Juristin und frühere Bundesjustizministerin kennen Sie die Vorkehrungen in Artikel 3 und 5. Kann der öffentliche Einsatz für die Menschenrechte der Palästinenser antisemitisch sein?

Bei seinem Abschied aus Jerusalem hat Probst Wolfgang Schmidt gegenüber der FAZ erklärt, in Israel könne man Dinge sagen, die man in Deutschland nicht sagen dürfe. Es ist kein Zufall, dass Staatsleute wie Orbán, Kaczińsky und Bolsonaro zu den besten Freunden der israelischen Regierung gehören.

Was für ein öffentlicher Aufschrei wäre hierzulande zu Recht zu erwarten, wenn eine Vorlage wie jene des israelischen Nationalstaatsgesetzes vom Juli 2018 eingebracht würde, wonach Deutschland nur den deutschen Christen gehöre? Wie würde die deutsche Reaktion ausfallen, wenn sich in Berlin und in den Bundesländern Minister und Abgeordnete weigern würden, mit Juden zusammenzuarbeiten?

Meine Großeltern sind 1943 aus Erfurt deportiert und in Auschwitz getötet worden. Doch mit ihrer Ermordung lässt sich das Unrecht an den Palästinensern nicht heilen. Ein Freibrief für die israelische Politik darf der Holocaust nicht sein.

Auf Ihre Antwort freue ich mich.

Mit besten Grüßen

Judith Bernstein

Brief von Ernst Grube an den Caritasverband anläßlich der Kündigung des Mietvertrags mit der Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe München

Regensburg 30. September 2019 

An den Vorstand des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e.V
 

Sehr geehrte Damen und Herren, 

als ich am 12. September in Dachau in den Räumen der Caritas eine Anne Frank Ausstellung eröffnet habe, konnte ich mir nicht vorstellen, dass die Caritas als großer Sozialverband ohne genaue Befassung und Abwägung, lediglich auf "Verärgerung" und "Erstaunen" von Frau Knobloch reagieren und einen Mietvertrag mit der Jüdisch-Palästinensischen Dialog Gruppe fristlos kündigen würde. 

Eine Handlung im vorauseilenden Gehorsam, die, wie zu erwarten, vom Landgericht München I zurückgewiesen wurde. Begründung des Gerichts: es handele sich um Meinungsäußerungen, die nach Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt sind. Es lägen auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass strafrechtlich relevante Äußerungen auf dieser Veranstaltung oder Störungen der öffentlichen Sicherheit erfolgen könnten. 

Entscheiden Sie in blindem Vertrauen auf umstrittene Beschlüsse der Stadt und einer Willensbekundung des Bundestags zu BDS? 

Für mich ist Ihre Argumentation für diesen Schritt nicht nachvollziehbar und glaubwürdig, denn Sie entziehen sich der Verantwortung genau zu prüfen, was Sie tun und was Sie damit bewirken. 

Es ist ein berechtigtes Anliegen, die Vorgänge beim Zustandekommen einer weitreichenden Bundestagsresolution zu betrachten, noch dazu, wenn es von jüdischen israelischen und deutschen Persönlichkeiten heftige gewichtige Kritik gibt. Zur Veranstaltung in dem bei Ihnen angemieteten Raum war ein Journalist eingeladen, der dazu recherchiert und bereits im Spiegel berichtet hatte. 

Wie umstritten dieser Beschluss, der BDS als antisemitisch bezeichnet, ist, möchte ich Ihnen durch Aussagen von einigen Persönlichkeiten verdeutlichen.

Der Künstler Dani Karavan und der ehemalige Knesset Präsident Avraham Burg haben am 17. Juni 2019 in der israelischen Tageszeitung Haaretz unter der Überschrift „Deutschland düpiert den Kampf gegen den Antisemitismus“ folgendermaßen Stellung bezogen: 

"Antisemitismus gibt es wirklich, und ihm sollte in Deutschland und an allen anderen Orten mit allen juristischen Mitteln entgegengetreten werden. Doch gibt es an BDS als solcher nichts Antisemitisches. Gewaltlose Volkskampagnen sind ein legitimes und angebrachtes Mittel, um Staaten dazu zu bewegen, mit schwerer Diskriminierung und arger Verletzung von Menschenrechtsverletzungen ins Gericht zu gehen.(...)“ Dani Karavan und Avraham Burg sehen darin eine “gefährliche Gleichsetzung“ und „fragen die deutsche Regierung: Glauben Sie wirklich, dass es eine Ähnlichkeit zwischen dem Boykott einer Flasche Wein, die in den besetzten Gebieten auf von Siedlern gestohlenem Land, (...) produziert wurde, und dem Boykott eines Geschäfts in Nazi-Deutschland gibt? 

Wer diesen Vergleich zieht, befleckt die Erinnerung an den Holocaust und untergräbt massiv die Balance der Verpflichtungen in Deutschlands Nachkriegszeit. Schlimmer noch: Die Entscheidung beschädigt den Kampf gegen den wahren Antisemitismus, der im europäischen Nationalismus seinen Ursprung hat und heute von Teilen der muslimischen Gemeinschaften in Europa kommt.“ 

Beide Autoren führen weiter aus, dass die Resolution des Bundestags den Kampf gegen den Antisemitismus mit der Unterstützung der israelischen nationalistischen Agenda vermischt. 

Und weiter heißt es " Die Resolution des Bundestages schränkt die Meinungsfreiheit ein, eine Säule jeder liberalen Demokratie ". 

Als Münchner Jude habe ich Entrechtung, Ausgrenzung und Verfolgung mit meiner Familie erlebt. Nach der Befreiung haben wir erfahren, dass alle unsere Verwandten mütterlicherseits - drei Schwestern der Mutter mit ihren Ehemännern und Kindern - ermordet worden waren. Seitdem beschäftigt mich dieses Menschheitsverbrechen und wie es zu seiner Durchführung kommen konnte. 

Es ist unsere zentrale Aufgabe Entwicklungen und Vorgängen entgegenzutreten, die sich gegen die Errungenschaften der Befreiung von Faschismus und Krieg richten, darunter antisemitische, rassistische, antidemokratische, das Asylrecht verstümmelnde und kriegsfördernde Maßnahmen. 

Nie wieder sollen Gewalt, Ausgrenzung, Diskriminierung, Menschenrechtsverletzungen, Verweigerung von Aufnahme von Menschen in Not hingenommen und beschwiegen werden. Die Bekräftigung der Menschenrechte nach der Barbarei gilt universell und ist zugleich überall konkrete Verpflichtung. 

„Der Einsatz für Menschenrechte ist nicht antisemitisch“. 

Unter dieser Überschrift haben 240 jüdische und israelische Wissenschaftler, darunter namhafte Holocaust Forscher, in ihrem Appell vom Juni 2019 Stellung bezogen zur BDS-Resolution im deutschen Bundestag: “In den letzten Jahren haben die israelische Regierung und ihre Unterstützer versucht, die Debatte über die systematische Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung und die verheerenden Auswirkungen der seit 51 Jahren andauernden Besatzung zu unterbinden. Zivilgesellschaftliche Organisationen in Israel und weltweit, die sich für Menschenrechte für Palästinenser einsetzen, werden von israelischen Offiziellen in zynischer Weise als Feinde des Staates, Verräter und zunehmend als Antisemiten abgestempelt. Für kritisches Engagement bleibt immer weniger Raum...“ 

Eindringlich warnen diese Wissenschaftler davor, dem „Israelischen Staat Immunität gegen Kritik an schwerwiegenden und verbreiteten Menschen- und Völkerrechtsverletzungen zu verschaffen – Kritik, die für legitim erachtet wird, wenn sie sich gegen andere Länder richtet.“ 

In ihrem Aufruf an die deutsche Zivilgesellschaft verlangen sie “ Antisemitismus unnachgiebig zu bekämpfen und dabei klar zu unterscheiden zwischen Kritik am Staat Israel, so hart sie auch ausfallen mag, und Antisemitismus. Wir fordern sie weiter dazu auf, die freie Meinungsäußerung jener zu gewährleisten, die sich gegen die israelische Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung wenden und auf der Beendigung dieses Zustands bestehen.“ 

„Die Unterzeichner dieser Erklärung haben zu BDS unterschiedliche Meinungen: Einige mögen BDS unterstützen, andere lehnen es aus verschiedenen Gründen ab. Wir alle lehnen jedoch die trügerische Behauptung ab, dass die BDS-Bewegung als solche antisemitisch sei, und wir verteidigen das Recht jeder Person oder Organisation, sie zu unterstützen.“ 

Der Mitunterzeichner Prof.em. Dr. Micha Brumlik schreibt nach dem erzwungenen Rücktritt des Leiters des Jüdischen Museums Berlin, Peter Schäfer, wegen angeblicher Nähe zu BDS von einem weiteren Beispiel „für den Verfall liberaler Öffentlichkeit“(...). 

„Das Perfide des neuen, BDS-bezogenen McCarthyismus besteht zudem darin, dass er sich wegen des darin enthaltenen Antisemitismusvorwurfs kaum ausweisen muss und er zudem einen kaum widerlegbaren Vorwurf enthält: den der Kontaktschuld. In einem kulturellen Milieu mit hoher Kommunikationsdichte ist nämlich so gut wie niemand vor diesem Vorwurf gefeit;“ (Blätter für deutsche und internationale Politik 8/2019, Unter BDS-Verdacht: Der neue McCarthyismus. Brumlik war Professor am Institut für allgemeine Erziehungswissenschaft der Universität Frankfurt und Direktor des Fritz Bauer Instituts, Studien- und Dokumentationszentrum zur Geschichte und Wirkung des Holocaust. Seit 2013 ist er Senior Advisor am Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin/Brandenburg in Berlin.) 

In der Münchner kommunalen Verwaltung wurde und werden nach diesem Muster zivilgesellschaftlichen Gruppen wie z.B. der Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe oder der Künstlerin Nirit Sommerfeld Räume versagt. In Israel als Tochter von Überlebenden und Enkelin von Holocaust Opfern geboren, lebt Nirit Sommerfeld jetzt bei München. 

An der Künstlerin Nirit Sommerfeld, die im kommunalen Gasteig ein Konzert angekündigt hat, führt die Stadt München vorweg eine Gesinnungsprüfung durch, um vor dem am 5. Oktober 19 angekündigten Konzert ihren eigenen Antisemitismusverdacht auszuschließen. 

Dazu Nirit Sommerfeld: „Seit Jahren kämpfe ich mit künstlerischen Mitteln für ein gerechtes Israel und Menschenrechte für Palästinenser. Genügt das schon, um in den Verdacht des Antisemitismus zu geraten?? BDS ist nicht mein Thema in der Öffentlichkeit, was sich in all meinen zahlreichen öffentlichen Publikationen ersehen lässt — abgesehen davon, dass ich regelmäßig Israel und Palästina besuche. Meine persönliche Haltung zu BDS deckt sich mit der von 240 jüdischen und israelischen Wissenschaftlern...“ 

Es reicht der Verdacht, die Vermutung, es könnte im Rahmen solcher Veranstaltungen oder eines Konzerts auch über BDS gesprochen werden. 

Es erschüttert mich, wenn mittlerweile, angeschoben durch solche Beschlüsse zu BDS auf kommunaler und Bundesebene, unter dem Vorwand Antisemitismus zu bekämpfen, ein Klima der Denunziation und Verleumdung hergestellt wird, Grundrechte ausgehebelt werden, die dann durch die so beschädigten, diffamierten Menschen in aufwändigen und kostspieligen Schritten erstritten werden müssen. Wieviel Kraft bleibt ihnen dann noch für Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung, wenn sie immer wieder vor verschlossenen Türen stehen? Die einschüchternden und desorientierenden gesellschaftlichen Folgen für eine aufrichtige Bekämpfung des Antisemitismus führe ich hier nicht weiter aus. 

Judith Bernstein, eine Mitklägerin gegen Ihre fristlose Raumkündigung, wird zusammen mit ihrem Mann Reiner Bernstein mit einer Rufmordkampagne überzogen. Als mir am 7. November 2017 von der Stadt München der Georg Elser Preis verliehen wurde, habe ich mich bereits geäußert. 

„Als Mitstreiter von Judith und Reiner Bernstein begrüße ich, dass beiden der Preis „Aufrechter Gang“ von der Humanistischen Union München - Südbayern zugesprochen wurde. Beide erhalten den Preis für ihren Einsatz zur Verlegung von Stolpersteinen in München sowie ihren unermüdlichen Beitrag zur Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern. Dieser Preis darf nicht in städtischen Räumen entgegen genommen werden. Judith Bernstein ist in Jerusalem als Tochter deutscher Juden geboren, die vor der Nazi-Verfolgung nach Palästina auswanderten. Dr. Reiner Bernstein ist Historiker und Publizist; er hat sich in vielen Schriften mit der Situation im Nahen Osten auseinandergesetzt. Diese beiden Münchner Bürger sind meine Mitstreiter für eine gewaltfreie Lösung des Konflikts zwischen Israel und Palästina. (...) 

Es mag mühsam und unbequem sein. Verständigung, auch die Klärung von Mißverständlichem kommt nur über die respektvolle Auseinandersetzung, unter Einbeziehung der Rechte und Interessen aller zustande. Der Münchner Stadtrat sollte alles tun, um den Dialog für eine gerechte und friedliche Lösung des Nahost- Konfliktes auch in München zu fördern. 

Lebendige Demokratie verlangt, dass wir unseren Verstand und Realitätssinn einsetzen, die Wirklichkeit ergründen, um sie zum Besseren zu verändern.“ (Rede am 7. 11. 2017) 

Mittlerweile wurde die Rufmordkampagne gegen das Ehepaar Bernstein gesteigert. Besonders drastisch vom „Aktionsforum Israel“ mit dem unfassbaren Vorwurf: „Das Paar Bernstein propagiert in Vorträge(sic) Terror gegen Juden“. Das reiht sich ein in Behauptungen von Arye Sharuz Shalicar, die dieser in seinem Buch „Der neu-deutsche Antisemit“ (Leipzig 2018) macht. Reiner und Judith Bernstein würden sich für die „Bürgerinitiative Stolpersteine für München engagieren“, weil sie tote Juden lieben und in Israel Probleme mit lebenden Juden hätten. Shalicar hat sich in einem aktuellen Facebook Eintrag aus New York als Mitarbeiter des israelischen Außenministeriums gerühmt. 

Je älter ich werde, umso intensiver wird meine Erinnerung an erlebte Verfolgung, um so bedeutsamer sind mir die Errungenschaften der Befreiung, wie das Grundrecht auf freie Meinungsäusserung.

Die freie Debatte ist ein Grundrecht und unerläßlicher demokratischer Bestandteil gegen Rechtsentwicklungen, Verleumdungs- und Ausgrenzungsmechanismen. Dieses Grundrecht wirkt nur solange, wie es gelebt werden kann, wie es Räume gibt, in denen Menschen ihr Recht, sich mit wichtigen gesellschaftlichen Vorgängen auseinanderzusetzen, tatsächlich haben. 

Erst dadurch können sie zu wirklichkeitsnahen und wahrheitsgemäßen vollständigeren Bewertungen und Handlungen finden. 

Ich bin der Einladung, die Anne Frank Ausstellung zu eröffnen, gerne gefolgt. 

Auch deshalb, weil ich das Engagement Ihrer Mitarbeiten*innen punktuell kennengelernt habe, und weil ich gesellschaftspolitische Stellungnahmen des Caritasverbands z.B. zu Armut, Zuwanderung oder Asyl oft als wertvoll und bitter nötig gegen Verzerrungen und Falschinformation schätzen gelernt habe. 

Ich hoffe auf eine intensive Befassung mit dem von mir Dargelegten und, dass Ihre Türen für Aufklärung und Bestrebungen, die einen gerechten Frieden und Ausgleich zwischen Israel und dem palästinensischen Volk zum Ziel haben, offen sind. 

Ich erlaube mir, meine ausführliche Darlegung öffentlich zu machen. 

Gern bin ich zu einem persönlichen Gespräch bereit. 

Freundliche Grüße 

Ernst Grube 

Einleitung zur Diskussionsrunde, die aufgrund der Kündigung des Caritasverbandes am 23.09.2019 stattfand.

Judith Bernstein

Ich begrüße Sie im Namen der Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe. Die meisten von Ihnen haben sicherlich mitbekommen, dass aufgrund der Intervention von Frau Knobloch der Caritasverband uns diesen Raum fristlos gekündigt hatte.

Mit Hilfe von RA Braun konnten wir eine einstweilige Verfügung erwirken, die es uns ermöglicht, die Diskussion doch in diesem Raum stattfinden zu lassen. Unser Referent Christoph Sydow vom „Spiegel“ hat fest zugesagt, zu einem anderen Termin seinen Vortrag zu halten. Der Druck von Frau Knobloch und die darauffolgende Absage bestätigen den Titel seines geplanten Vortrags:

„Die Rolle israelischer Lobbyorganisationen in der deutschen Politik". 

Wir sollten allerdings unser Treffen nutzen, um uns zu überlegen, wie wir in Zukunft diese Interventionen vermeiden können, um es nicht immer wieder zu einem Gang vor Gericht kommen zu lassen. 

Seit dem Bundestagsbeschluss vom 17. Mai werden Veranstaltungen und Unterstützer der BDS-Kampagne oder diejenigen, die sich mit BDS beschäftigen, als Antisemiten diffamiert. Doch BDS setzt sich für die Rechte der Palästinenser ein - was ist daran antisemitisch? 

Wir möchten heute Abend mit Ihnen diskutieren, wie wir z.B. dafür sorgen können, dass der Bundestagsbeschluss zurückgenommen wird, oder zumindest eine Erklärung verlangen, dass BDS von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.

Dazu habe ich zwei Vorschläge: 

Es kann nicht angehen, dass die Israelitische Kultusgemeinde für München und Oberbayern Veranstaltungen organisiert, in denen Kritiker der israelischen Politik diffamiert werden wie im Fall von Arye Sharuz Shalicar mit seinem Buch „Der neu-deutsche Antisemit“ oder eine einseitige und fehlerhafte Ausstellung wie die zur Gründung des Staates Israel gezeigt wird, und uns jede Auseinandersetzung mit der Politik Israels untersagt ist - wo ist hier die Gleichheit vor dem Gesetz? In Artikel 3 GG heißt es dazu: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Und weiter: „Niemand darf wegen seiner politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ 

Mein anderer Vorschlag ist, dass wir einen Herrn Rechtanwalt bitten, ein Schreiben in diesem Sinn an alle Fraktionen zu schicken. 

Zum Schluss möchte ich noch auf einen Gedanken aufmerksam machen, der mich sehr beunruhigt. Ich bin vor 50 Jahren nach Deutschland gekommen und merke, wie stark sich das Land verändert hat. Für mich ist die Diskussion um Palästina ein Teil des Rechtsrucks in Deutschland. Heute sind das Themen wie die Geflüchteten, Iran oder Palästina. Morgen können das die Obdachlosen und Behinderten sein, und übermorgen sind wir es. 


                                          

 



Plädoyer für eine neue Debatten-und Politikkultur

Reiner Bernstein

Nach den juristischen Erfolgen in Oldenburg, in Lüneburg und in Bonn hat das Landgericht München am 23. September dem Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen den Caritasverband der Erzdiözese München und Freising stattgegeben. Vorausgegangen war die fristlose Kündigung des Raumnutzungsvertrags für die Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe (JPDG).

Der Caritasverband begründete seinen Rückzug mit der Anti-BDS-Erklärung des Bundestages vom 17. Mai, welche die Unterstützer der weltweit getragenen Initiative gegen die israelische Besatzung von 1967, für die Gleichstellung der arabischen Staatsbürger Israels sowie für das Recht der palästinensischen Flüchtlinge von 1948 in die Nähe des Antisemitismus rückte. Das Landgericht betonte ausdrücklich, dass die BDS-Kampagne durch Artikel 5 des Grundgesetzes gedeckt ist.

Anlass für die einstweilige Verfügung bildete das „Erstaunen und (die) Verärgerung“ der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern Charlotte Knobloch, den „Spiegel“-Redakteur Christoph Sydow über die Recherchen der Wochenzeitung zur israelischen Lobbyarbeit in Berlin berichten zu lassen. Da der Referent aufgrund der Kürze der Zeit seine Teilnahme absagen musste, aber der neuen Einladung schnell folgen will, konzentrierten sich die Diskussionen auf die zwei Fragen: Wie lange müssen Gerichte bemüht werden, um das Recht auf freie Meinungsäußerung im öffentlichen Raum zu gewährleisten, und wann werden unsere Politiker begreifen, dass die Behauptung, die Rechte der Palästinenser würden den Tatbestand des Antisemitismus erfüllen, von Grund auf absurd ist?

Während in Israel eine offene Debatte über die Politik der Regierung stattfinde, werde sie in Deutschland mit Diffamierungen belegt, betonten die promovierte Publizistin Ilana Hammerman und die in Düsseldorf lehrende Professorin Efrat Gal-Ed. Der deutsche Diskurs habe mit Israel nichts zu tun. Jüdische Israelis seien stolz auf ihre freie Presse, in der Bundesrepublik mache sich hingegen ein Klima breit, das vor dem Vorwurf des Antisemitismus zurückschrecke. Doch erfülle das Verbot für Israelis und Palästinensern aus der Friedensszene den Tatbestand des Antisemitismus, über das Für und Wider der Beziehungen zwischen beiden Völkern zu berichten?

Die über siebzig Teilnehmenden der Veranstaltung forderten die Bundesregierung und den Bundestag auf, endlich der eigenen Glaubwürdigkeit Rechnung zu tragen, indem sie einen politischen Kurswechsel gegenüber dem israelisch-palästinensischen Konflikt vornehmen. Den Medien wurde empfohlen, dem Leitsatz jener Ausgewogenheit zu folgen, den sie selbst hochzuhalten beanspruchen.

An der Sprache sollt ihr sie erkennen. Ist „political correctness“ angebracht, wenn auf Berichte und Kommentare über Siedler verzichtet wird, die tote Katzen in Brunnen werfen, um das Wasser zu verunreinigen, wenn sie palästinensische Bauern mit Knüppeln und entsicherter Pistole von ihren Feldern vertreiben oder wenn sie unter dem Vorwand der Notwehr ein Kind erschießen? Ja, schon die Sprache macht die Musik.

Kommentar von Fanny-Michaela Reisin zum Artikel der AZ vom 20.09.2019: "Vortrag von Antisemiten? Caritas kündig Verein fristlos"

Mein Kommentar: Unsäglich und unerträglich

"Unsäglich und unerträglich, dass eine Freundin Israels die undemokratischen Verhältnisse dort nicht nur schön zu reden, sondern, mit Interventionen, die gerichtlich immer wieder zurückgewiesen werden, scheinbar unbelehrbar, auch in Deutschland zu implementieren sucht!

 Der Staat Israel, der international wegen seiner über 50 Jahre währenden Besatzung , illegalen Besiedlung und Ausbeutung von Territorien, die ihm nicht gehören, sowie überdies wegen der als "israelische Apartheid" geächteten unterschiedlichen Rechtssysteme für jüdische und nicht jüdische Menschen angeprangert wird, ist nicht schön zu reden, so lange die Verhältnisse so sind, wie sie sind. 

 In Deutschland gilt das von Deutschen festgeschriebene und gewollte  Grundgesetz! Es garantiert jeder Bürgerin und jedem Bürger  in Artikel 5 die Meinungs- und Art. 8 die Versammlungsfreiheit!

 Natürlich ist Frau Knobloch berechtigt,  enge Freundschaft zu Israel zu pflegen, diese nach Belieben laut in allen Medien zu propagieren und auf öffentlichen Veranstaltungen alles kundzutun, wofür sie einsteht oder auch nicht.

Unsäglich und unerträglich ist, dass sie, unterstützt von einem Netz israelischer Lobbyisten, immer wieder danach trachtet, Anderen hierzulande eben die in Art. 5 und 8 grundgesetzlich verbrieften Rechte zu versagen.

Dank der Münchner JPDG sowie einer Recht-sprechenden Richterschaft gelingt die von Frau Knobloch betriebene Unterminierung der deutschen Verfassung im Interesse des Staats Israel nicht! 

Zumindest nicht immer!

 Fanny-Michaela Reisin

Abendzeitung 20.09.19: Nach Beschwerde von Charlotte Knobloch Vortrag von Antisemiten? Caritas kündigt Verein fristlos

Lukas Schauer: Die Caritas kündigte den Mietvertrag mit dem fraglichen Verein fristlos.

Die Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe (JPDG) wollte am Montag bei der Caritas einen Vortrag halten. Das sorgt bei Charlotte Knobloch und der Israelitischen Kultusgemeinde für heftigen Protest – mit Konsequenzen.

München - "Mit Erstaunen und Verärgerung" habe sie den Vortrag zur Kenntnis nehmen müssen, schreibt Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitische Kultusgemeinde, an Peter Bachmeier, seines Zeichens Chef des Münchner Caritasverbandes. Der Beschwerdebrief liegt der AZ vor.

Vortrag von Antisemiten? Caritas München kündigt Verein fristlos.

Was war passiert? Die Caritas hatte dem Verein "Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe (JPDG)" am kommenden Montag (23.9.) Räumlichkeiten für den Vortrag zur Verfügung gestellt. Eigentlich kein unübliches Vorgehen. Allerdings gehört die JPDG zu den eingetragenen Unterstützern der BDS- Kampagne (siehe unten). Und wird von der Stadt als antisemitisch eingestuft.

BDS-Kampagne gilt als antisemitisch

Bereits 2017 hatte der Stadtrat beschlossen, dass keine Räume mehr für Veranstaltungen der BDS- Kampagne genutzt werden dürfen – auch von der Stadt geförderte Einrichtungen sollten sich dem anschließen. Im Mai dieses Jahres strich auch der Bund die finanzielle Unterstütung.

Dass die Caritas nun einer solchen Veranstaltung eine Bühne biete, "muss ich im besten Fall als gefährliche Achtlosigkeit verstehen", schreibt Knobloch. Sie habe die Caritas bislang als "verlässlichen Partner im Kampf gegen Antisemitismus" erlebt, schreibt Knobloch weiter und bittet "nachdrücklich und eindringlich darum", die Raumüberlassung "zu überdenken".

Caritas kündigt fristlos

Auf Nachfrage teilt die Caritas mit: Der Mietvertrag wurde bereits fristlos gekündigt! "Wir sind Frau Knobloch für den Hinweis sehr dankbar", sagt eine Sprecherin und erklärt, dass man bei der Anfrage zur Anmietung getäuscht worden sei: ein zweiter, harmloser Verein sei ebenfalls als Veranstalter angegeben worden. Diesen habe man geprüft und der Anfrage stattgegeben. "Ein Fehler, für den wir uns entschuldigen".

"Antisemitismus hat bei uns natürlich keinen Platz. Die Caritas gibt dem im doppelten Sinne keinen Raum", so die Sprecherin. Das werde man auch Frau Knobloch noch einmal versichern. Ob es seitens der JPDG rechtliche Schritte gebe, war am Donnerstag noch unklar.

BDS steht für "Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen". Die Bewegung verlangt ein Ende der Besatzung des Westjordanlandes, der Golanhöhen und Ostjerusalems, die völlige Gleichberechtigung arabisch-palästinensischer Bürger Israels und ein Recht auf Rückkehr nach Israel für palästinensische Flüchtlinge und deren Nachkommen.

https://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.nach-beschwerde-von...ndigt-verein-fristlos.5e094c84-f4f1-4c6e-b7cd-fbe92bd8624f.html Seite 2 von 4

Mein Schreiben an Bundeskanzlerin Merkel

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel,

über die Zuspitzung an der Straße von Hormus und die vielen Krisenherden in der Welt darf der historisch älteste Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern nicht vergessen werden. Deshalb wende ich mich an Sie. 

Mit tiefer Sorge verfolge ich in deutschen Zeitungen und in sozialen Medien die häufig unerträglichen Angriffe auf unseren Ständigen Vertreter bei den Vereinten Nationen Dr. Christoph Heusgen, der ja nichts anderes getan hat, als die israelische Regierung an international verbindliche Normen zu erinnern. Vor Jahren hatten mein Mann und ich die Gelegenheit, Herrn Dr. Heusgen im Bundeskanzleramt kennen und schätzen zu lernen. 

Mittlerweile soll die gesamte Bundesregierung in die antisemitische Ecke gestellt werden wegen ihrer auf die Mittel der Diplomatie setzenden Haltung in der Krise um Iran. Diese Hetze wird vor allem von einem hohen Offizier des israelischen Militärs, einem Mitarbeiter des Außenminiserums und des Nachrichtendienstes getrieben. Wäre es umgekehrt, gäbe es seitens Israels massive Proteste. Wir dürfen nicht zulassen, dass ausländische Lobbyisten gegen unsere Demokratie agieren und sich in innere Angelegenheiten der Bundesrepublik einmischen. 

Der Erwähnte wird vom Bundesbeauftragten für jüdisches Leben in Deutschland und gegen Antisemitismus Dr. Felix Klein mit Steuergeldern gefördert! Das bleibt der Bevölkerung nicht verborgen. Statt den Antisemitismus zu bekämpfen, schüren solche Entscheidungen antijüdische Ressentiments, so dass ich befürchte, dass sie eines Tages auf uns Juden zurückschlagen werden. 

Im Juni habe ich meine Tochter in Tel Aviv und Freunde in der Westbank besucht. Ich habe die Palästinenser noch nie so hoffnungslos erlebt. Sie haben den Eindruck, dass die „Palästinafrage" von unserer politischen Landkarte verschwunden ist. Auch befürchten sie, dass die nächste israelische Regierung noch weiter nach rechts rücken wird. Selbst wenn die Opposition gewinnen sollte, würde das an ihrer Lage nichts ändern. 

Deshalb, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, bitte ich Sie, Ihren Einfluss geltend zu machen, dass die israelische Politik die Menschenrechte der Palästinenser sowohl in den besetzten Gebieten als auch in Israel achtet und sie als gleichberechtigte Bürger behandelt. Nur so kann auch die Zukunft des Staates Israel garantiert werden. Denn es gibt keinen Frieden für Israel ohne einen Frieden für die Palästinenser und umgekehrt. 

Das historische Unrecht an den Juden lässt sich nicht mit einem neuen Unrecht an den Palästinensern wiedergutmachen.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Judith Bernstein 

PS. Am 04. September teilte mir das Bundeskanzleramt mit, dass die Bundesregierung auch künftig an ihren bekannten Positionen festhält: 2-Staaten-Lösung, direkte Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern, Bekenntnis zu international vereinbarten Parametern. Offen bleibt die Frage, wie diese Positionen politisch umgesetzt werden sollen.